Nach Anschlag auf ägyptische Kopten: Extremistische Palästinenser verdächtigt
Die ägyptische Regierung macht die Armee des Islam für den Anschlag auf die Kopten verantwortlich. Die palästinensische Extremistengruppe hat die Vorwürfe jedoch zurückgewiesen.
KAIRO dapd | Das ägyptische Innenministerium hat eine im Gazastreifen ansässige Extremistengruppe für den tödlichen Anschlag auf Christen in Alexandria verantwortlich gemacht. Es gebe "überzeugendes Beweismaterial", wonach die der Al-Kaida nahestehende Gruppierung Armee des Islams für die Planung und Ausführung des Angriffs verantwortlich sei, erklärte Innenminister Habib el Adli am Sonntag bei einer Rede vor Präsident Husni Mubarak, Kabinettsministern und ranghohen Polizisten in Kairo.
Bei dem Selbstmordanschlag vor einer Kirche waren in der Silvesternacht mindestens 21 Menschen getötet und rund 100 weitere verletzt worden. Die Armee des Islams wies die ägyptischen Vorwürfe auf einer Website zurück. Die ägyptische Regierung hatte schon kurz nach dem Anschlag erklärt, für die Tat seien Ausländer verantwortlich.
Die Gruppe rekrutierte nach Andeutungen El Adlis Ägypter für den Anschlag. Wie aus Sicherheitskreisen verlautete, sind mindestens fünf ägyptische Staatsbürger im Zusammenhang mit dem Anschlag in der Silvesternacht festgenommen worden. Die Verdächtigen hätten gegenüber den Ermittlern ausgesagt, von der Armee des Islams kontaktiert und schließlich rekrutiert worden zu sein.
In einer Erklärung des Innenministerium wurde später ein 26-jähriger Bewohner Alexandrias als Hauptverdächtiger genannt. Der Mann sei 2008 von der Armee des Islams rekrutiert worden. Er habe den Auftrag erhalten, christliche und jüdische Gebetshäuser auszuspähen. Im Oktober habe er dann zwei Kirchen als mögliche Anschlagsziele weitergemeldet und Fotos der Objekte gesendet. Darunter soll auch das Ziel des späteren Anschlags gewesen sei. Ihm Dezember sei ihm dann mitgeteilt worden, dass "Elemente" losgeschickt worden seien, um die Anschläge auszuführen.
Nach dem tödlichen Anschlag in Alexandria war der Verdacht auf eine der Al-Kaida nahestehende Organisation gefallen. Der irakische Zweig des Terrornetzwerks hatte Christen im Irak und in Ägypten mit Anschlägen gedroht, nachdem zwei Frauen daran gehindert worden waren, vom koptischen Christentum zum Islam überzutreten. Die Hinweise darauf, dass es sich bei der für den Anschlag verantwortlichen Gruppierung um eine im Ausland ansässige handelt, stützen das Argument ägyptischer Behörden, wonach die Angriffe auf Christen nicht auf religiös motivierte Gewalt im eigenen Land zurückzuführen seien.
Die Armee des Islams verfügt nach Schätzungen über mehrere Dutzend Funktionäre, die sich wie die Al-Kaida der Ideologie eines globalen Dschihads, eines "Heiligen Kriegs", verpflichtet haben. Die extremistische Organisation sonderte sich 2005 von den sogenannten Komitees für den Volkswiderstand ab, die der radikalislamischen Hamas nahestehen sollen. Gegenwärtig soll die Armee des Islams keine Verbindungen zur Hamas haben. Die Hamas führte 2008 eine Razzia gegen die Armee des Islams durch und tötete 13 Mitglieder der Gruppe.
Die im Gazastreifen ansässige Armee des Islams wird hinter der Entführung eines israelischen Soldaten 2006 und eines Journalisten des britischen Senders BBC vermutet. Im vergangenen Jahr wurden bei israelischen Luftangriffen drei Mitglieder der Extremistengruppe getötet. Israel warf den Männern vor, Anschläge auf Israelis und US-Bürger auf der ägyptischen Halbinsel Sinai geplant zu haben.
In einer Ansprache äußerte sich Präsident Mubarak zuversichtlich, dass seine Regierung "über den Terror triumphieren" werde. Er werde sich um Einheit unter Ägyptern bemühen und sektiererische Handlungen nicht dulden. In Ägypten sind rund zehn Prozent der 80 Millionen Einwohner Christen. In seiner Rede reagierte Mubarak auf Forderungen des Westens, die Christen im Nahen Osten zu schützen.
Papst Benedikt XVI. hatte Ländern im Nahen Osten vorgeworfen, nicht-muslimische Menschen zu unterdrücken. Daraufhin zog Kairo seinen Botschafter aus dem Vatikan ab. "Der Schutz von Ägyptern, allen Ägyptern, ist unsere Pflicht", sagte Mubarak am Sonntag.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen