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Nabu fordert Einweg-SteuerKollaps des Mehrwegsystems

Die gesetzlich vorgeschriebene Mehrwegquote wird in Deutschland weit verfehlt. Deshalb fordert der Naturschutzbund nun eine Steuer auf Einweg-Getränkeverpackungen.

Bislang vom Pflichtpfand ausgenommen. Bild: ap

Das Einwegpfandsystem in Deutschland wirkt nicht. Immer mehr VerbraucherInnen greifen trotz des Pfands zu den umweltbelastenden und vermeintlich billigeren Einwegflaschen. So wird in Deutschland die gesetzlich vorgeschriebene Mehrwegquote weit verfehlt: Nicht einmal mehr jede zweite Flasche wird hierzulande wieder befüllt. Die Verpackungsverordnung fordert "80 Prozent Mehrweg und ökologisch vorteilhaften Einweg".

Dabei sollte die seit 2003 geltende Pfandpflicht für Dosen und Einwegflaschen aus Glas oder dem Kunststoff PET die Mehrwegquote spürbar erhöhen. Der Verkauf von Mineralwasser in Mehrwegflaschen ist aber regelrecht eingebrochen, seitdem die Discounter groß in das Geschäft eingestiegen sind. Zudem werden Säfte häufig in Einwegflaschen aus Kunststoff angeboten.

Die Umweltminister von Hessen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und fünf weiteren Ländern haben von der Bundesregierung darum längst neue Maßnahmen gefordert. Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) schlägt nun eine Lösung vor: Er fordert eine Steuer auf Einweg-Getränkeverpackungen. So sollen etwa für eine Wasserflasche - PET-Einweg, ein Liter - 9,4 Cent fällig werden, für eine Weinflasche - Glas-Einweg, ein Liter - 26 Cent und für einen Ein-Liter-Saftkarton 3 Cent. Das erklärte der Nabu am Wochenende der taz. Die Steuer könnte jedes Jahr 3 Milliarden Euro in die Kassen spülen, wie Berechnungen im Auftrag des Nabu zeigen.

Wissenschaftler vom Freiburger Öko-Institut und vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung haben für den Nabu ein Besteuerungsmodell für Einwegverpackungen entwickelt: Die Steuer fällt umso höher aus, je mehr Ressourcen in der Verpackung stecken: Aluminium, für dessen Produktion viel Energie verschlingt, wird zum Beispiel stärker besteuert als ein recycelter Kunststoff. Und: Die Verpackung wird nur einmal - wenn sie ihr Hersteller auf den Markt bringt - belastet. Glas- und PET-Einweg würden so vergleichsweise teurer, Glas-, PET-Mehrweg und Getränkekartons günstiger.

Wenn nichts geschieht, befürchtet der Nabu einen Kollaps des Mehrwegsystems in Deutschland. Ohne die Einweg-Steuer "ist Mehrweg in fünf Jahren tot", sagt Nabu-Abfallexperte Benjamin Bongardt - "und das beste Beispiel für Abfallvermeidung weg". Andere Länder wie Dänemark, die Niederlande oder Norwegen praktizieren bereits ähnliche Steuersysteme. Händler und große Getränkeproduzenten lehnen eine Abgabe allerdings ab: "Sie belastet nur die Kunden", sagt Hubertus Pellengahr vom Hauptverband des deutschen Einzelhandels. "Generell befürworten wir Eingriffe in den Markt nicht", erklärt Kristina Brehm von Coca-Cola.

Schwarz-Gelb denkt derzeit auch nicht an eine Steuer. Die Koalitionäre ziehen stattdessen nur eine neue Mehrwegkennzeichnung in Betracht. In ihrem Regierungsprogramm heißt es im Kapitel Kreislaufwirtschaft: "Wir wollen die ökologische Produktverantwortung nicht länger nur als Produzentenverantwortung verstehen. Durch eine aussagefähige Produktkennzeichnung, zum Beispiel klare Bezeichnung als Einweg- oder Mehrwegflasche, werden wir die Transparenz erhöhen und die ökologische Konsumentenverantwortung stärken." Ob die Mehrwegflasche zurückkommt, hängt danach vom ökobewussten Kunden ab.

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4 Kommentare

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  • S
    Sven

    @ Enrico:

    Wenn Du die Pfandflaschen mit dem Auto zum Discounter zurückbringst, holst Du Deine Getränkekästen wahrscheinlich auch mit dem Auto ab. Ausserdem wirst Du da wohl auch kaum zweimal fahren. Also scheint sich dadurch nix zu ändern.

     

    Ausserdem scheinst Du den Unterschied von Einweg und Mehrweg nicht verstanden zu haben. Einwegverpackungen wie die mit dem grünen Punkt werden eingeschmolzen und für neue Verpackungen benutzt. Mehrweg-Verpackungen werden nur gereinigt und dann gleich wiederverwendet.

    Das Problematische am Einschmelzen ist, dass die Proteinketten dabei jedesmal ein Stück zerstört werden, so dass dies nur zur Beimischung zu neuem Kunststoff geeignet ist.

     

    @ Ruessel:

    Indem man darauf verweist, dass es woanders noch schlimmer ist, kann man jede Verbesserung schlecht machen.

  • R
    Ruessel

    Grundsaetzlich halte ich eine solche Steuer fuer sinnvoll, aber ich moechte auch darauf hinweisen, dass es Laender gibt, in denen sogar grundsaetzlicher Pfand nicht vorhanden ist (zb. Russland).

  • N
    Nein

    Glas- und PET-Einweg würden so vergleichsweise teurer, Glas-, PET-Mehrweg und Getränkekartons günstiger.

     

    ????

  • E
    Enrico

    Wenn ich meine ganzen leeren Getränkeflaschen zukünftig zum Discounter zurückschleppen soll, dann mache ich das mit dem Auto.

    Es ist im übrigen gar nicht erwiesen das Mehrweg unter dem Strich besser für die Umwelt ist. Mehrwegflaschen haben ein enorm hohes Volumen und erzeugen somit einen enormen Logistikaufwand und mehrfahrten. Der Grund ist doch eher das die Wie die "Stiftung Initiative Mehrweg" (Mehrweg-Getränke-Industrie) mächtig NABU und Grüne sponsort.

    Nicht jede Form von gewolltem Umweltschutz ist auch nicht wirklich welcher. Theoretisch sind doch schon die Kosten des Recyclings für sämtliche Einweg-Verpackungen mit dem grünen Punkt abgedeckt. Man könnte also den ganzen Mist lassen und aufhören zwischen Getränkeverpackungen, Ketchupverpackungen oder Cornflakesverpackungen zu unterscheiden. Der Umwelt ist es im zweifel egal von was sie Verschmutzt wird und daher sollte es auch keine ungleichberhandlung zwischen diesen Verpackungen geben. Der einzige der dort einen Unterschied sieht ist die "Stiftung Initiative Mehrweg". Vielleich solltet ihr darüber mal berichten, anstatt einweg Aufgrund von unfundiertem Umweltschutzgedanken und Kulturkonservativismus zu protegieren.