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NSA-SpionageskandalThe German Unbedarftheit

Weltweit sorgt das Ausmaß der Überwachung durch den US-Geheimdienst NSA für Empörung. Nur die deutsche Regierung sieht das recht entspannt.

Auch eine Variante, wenn es stinkt: Nase zuhalten Bild: dpa

BERLIN taz | Locker bleiben, das ist die Devise. Während Regierungen weltweit empört oder reumütig auf den Email-Überwachungsskandal des US-Geheimdienst NSA reagieren, empören sich in Deutschland vor allem Oppositionspolitiker über das Ausmaß der Überwachung. Die Regierung? Nimmt's locker.

Moment, eine Ausnahme: Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesjustizministerin und immer auch noch aufrichtige Bürgerrechtlerin, wandte sich am Mittwoch mit einem eindeutigen Schreiben an ihren amerikanischen Amtskollegen Eric Holder. Darin forderte sie Holder auf darzulegen, „in welchem Umfang sich das Programm gegen europäische und insbesondere deutsche Bürger richtet“.

Bereits seit einer Woche sorgen die Enthüllungen über groß angelegte Überwachungsprogamme des US-amerikanischen Geheimdienstes NSA für Diskussionen. In der vergangenen Woche hatten der britische Guardian sowie die Washington Post berichtet, dass die NSA vermutlich Schnittstellen in den Systemen neun großer Firmen, darunter Facebook, Google, Micorsoft und Apple, installiert hat und so automatisiert schnellen Zugriff auf deren Nutzerdaten erhalten kann.

Betroffen davon könnten die Nachrichten, Fotos oder Dateien der Nutzer weltweit sein, die über diese Unternehmen kommunizieren. Den Berichten zufolge sind innerhalb Europas gerade Nutzer aus Deutschland am stärksten betroffen.

Doch während etwa die kanadische Regierung bereits zugeben musste, ebenfalls global Mails auszuwerten, während in Neuseeland, Australien, Großbritannien und anderen Staaten die Regierungen unter Druck geraten und sich etliche Europapolitiker öffentlich empört zeigten, versucht die Bundesregierung, die Kenntnisse ihrer eigenen Behörden nicht zu laut zu thematisieren.

Hinter verschlossenen Türen

Ein bisschen was könnte da vielleicht der für die Auslandsspionage zuständige Bundesnachrichtendienst wissen. Am Mittwochnachmittag ließen sich die Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums über dessen Wissen und Aktivitäten informieren – streng geheim allerdings, hinter verschlossenen Türen.

Das Innenministerium, das ebenfalls zuständig sein müsste, weil seine Behörden Gefahren abwenden müssen, die deutsche Bürger in ihrem Grundrechten einschränken, betont bereits seit Beginn der Datenaffäre, seine Kenntnisse über die US-Spionagesoftware habe es nur aus der Zeitung – so wie überhaupt alle Kenntnisse des Bundesamtes für Verfassungsschutz über die NSA-Datenzentrale in Utah nur aus öffentlich zugänglichen Quellen stammten.

Der Fingerzeig geht also in die USA. Man habe einen Fragenkatalog übersandt. Oppositionspolitiker kritisieren das scharf – und auch die netzpolitische Szene will dem freundlichen Unwissen nicht recht trauen. „Der eigentliche Skandal ist, dass die Geheimdienste sich eine eigene rechtsfreie Zone geschafft haben“, kritisierte Constanze Kurz vom Chaos Computer Club.

Dabei sei in der Vergangenheit ganz offensichtlich gewesen, dass „auch deutsche Behörden entsprechende Daten von den Amerikanern bekommen.“ So würden auch inländische Geheimdienste direkt von der enormen Überwachungsstruktur in Amerika profitieren. „Sie wissen sehr wohl, was sie tun, auch wenn sie nicht alle technischen Details kennen.“

Kritik von Markus Beckedahl

Auch der Netzaktivist Markus Beckedahl, Betreiber von netzpolitik.org, kritisierte am Mittwoch die Haltung der Bundesregierung und fragte: „Wo sind die Aufklärungskampagnen der Bundesregierung zu den Risiken, die von amerikansichen Plattformen ausgeht? Wo ist die Initiative, endlich dezentrale, offene Infrastruktur für das Internet zu fördern? Angela Merkel wird in ihrem angekündigten Gespräch mit Barack Obama sicherlich auf ähnliche Art und Weise Menschenrechtsverletzung anprangern wie sie es gegenüber den Chinesen tut.“

Doch auch in der deutschen netzpolitischen Szene laufen noch keine größeren Kampagnen zum Thema an. Anders in den USA: Die US-Bürgerrechtsorganisation American Civil Liberties Union klagt nun gegen die Sammlung von Telefon-Verbindungsdaten, weil sie die amerikanische Verfassung verletzt sieht. Und Mozilla startete gemeinsam mit BürgerrechtsaktivistInnen und Firmen die Kampagne „Stop Watching Us“.

Nun ist das mit der Überwachung ja grenzenlos. Wer also in der Petition seinen Namen zu Protokoll geben will, kann das auch von Deutschland aus tun. Nur später nicht meckern, von wegen persönlicher Daten und so.

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16 Kommentare

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  • M
    Marco

    als ob in den USA die Meinung der Bundesregierung auch nur irgendjemanden interessieren würde

  • S
    Securix

    In der Diskussion noch nie aufgetaucht sind die immensen volkswirtschaftlichen Schäden, die durch Weitergabe von Firmeninterna an die US-Konkurrenz durch die Dienste entstehen. Nahezu alle Unternehmen tauschen Angebote, Planungen usw. unverschlüsselt per E-Mail aus und wundern sich dann, warum die Konkurrenz plötzlich die Nase vorn hat.

  • SK
    S. Khan

    Hat man bei der EU-US Working Group on Cybersecurity and Cybercrime auf Seiten der EU-Kommission, Europol und Eurojust wirklich nichts über die Datenauswertung gewusst? Selbst unsere Bundesregierung war an Treffen beteiligt.

     

    Das die US-Behörden die Daten der Firmen auswerten war doch bereits seit Jahren bekannt. Die Neuerung ist jetzt doch nur, dass die Behörden die Netzdaten nun auch in Echtzeit auswerten wollen.

  • P
    Paul

    Ich habe ja den IKS-Haken von Heller immer für eine lustige Satire gehalten. Nun stellt sich heraus, vermutet habe ich es allerdings schon immer, dass das die Realität ist. Wahrscheinlich heißt die Fortsetzung auch nicht umsonst Endzeit.

  • A
    agtrier

    Nun ist es ja nicht so, dass entsprechende Gerüchte nicht schon gab: das fängt mit dem NSA Hauptquartier in Frankfurt (mit direktem Zugriff auf den wichtigsten Telekommunikationsknoten Deutschlands) nicht an, und hört mit der Spionagestation in Bad Aibling noch lange nicht auf.

     

    Vielleicht könnte eine "Große Anfrage" zu Erkenntnissen der Bundesregierung zu Spionagetätigkeit des NSA und anderer US-Geheimdienste in Deutschland hier etwas Unruhe hineinbringen. Aber das traut sich natürlich wieder keiner...

  • BG
    Bernd G.

    Jaja, heute kommuniziert man per Facebook, lagert seine Daten auf (zumeist amerikanischen) clouds aus und wundert sich dann, warum die Ammis das abhören.

     

    Kinder, ihr seid selbst schuld.

  • P
    P.Haller

    Nicht nur die deutsche Regierung sieht das entspannt, bei der dt. Bevölkerung sieht's wahrscheinlich nicht anders aus.

    Sich drüber aufregen überlässt man lieber anderen Bürgern in Europa oder in der Welt.

    Und wenn's dann dort deswegen mal kracht und die Bullizei hart und brutal durchgreift, dann ist der Deutsche aber wieder hellwach und empört sich !!

  • N
    Njet

    Man stelle sich vor, das wäre in Russland passiert. Skandal!!!

  • P
    Paul

    Woher die Empörung? War das nicht schon immer klar? Nun scheint es eben ein paar Beweise zu geben. Und gleich noch eine "Neuigkeit":Es wird so weitergehen!

     

    Man hätte vielleicht mal die alten Stasileute befragen sollen. Die hätten mit absoluter Sicherheit bei guter Honorierung etwas zu den Spitzelaktivitäten ihrer Feinde und vielleicht auch zu den eigenen sagen können. Hier wurde Insiderwissen nicht berücksichtigt. So, wie so viele Osterfahrungen nicht von Interesse waren.

     

    Wir Menschen sind nicht reif für diese neuen Techniken. Und wie es aussieht, zerlegen wir damit unsere sozialen, traditionellen und bisher einigermaßen tragfähigen Beziehungen. Wer z.B. hat noch Vertrauen?

  • T
    T.V.

    denke die Bundesliga hat vorgemacht, daß Schwarz-Gelb nur für den zweiten Platz taugt.

  • F
    FaktenStattFiktion

    Welcher Skandal war das? Die automatisierte Suche nach Wörten welche auf Anschläge hindeuten?

    Hätte die NSA die Döner-Morde verhindert, würde die taz dann schweigen?

  • V
    vidocq

    Wer sich die NCIS-udgl-Massenware häufiger anschaut, die wöchentlixh über die Bildschirme flimmert dürfte eigentlich am wenigsten überrascht sein, in welchem Ausmaß da die Bösen gejagt weden können; das Dumme zumindest für mich ist, dass nun nicht mehr werde behaupten können: das habe ich alles nicht gewust.

  • B
    Bob

    Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber:

     

    “Ich halte die Abhörmethoden der USA für inakzeptabel. Das sind Stasi-Methoden auf Amerikanisch. Die Amerikaner als der Staat, der immer für Freiheit und Menschenrechte eintritt, tritt das mit Füßen, wofür er in der Welt kämpft. Das macht ihn unglaubwürdig und er sollte sofort alles beenden, was hier stattfindet.” Deutschlandfunk 12.6.2013

     

    http://machtelite.wordpress.com/2013/06/09/nsa-whistleblower-edward-snowdon-warnt-vor-turn-key-tyranny/

  • AW
    Armin Weber

    Auf meinem Blog www.armin-weber.net habe ich anlässlich einer USA-Reise im letzten Jahr einen "kritischen" längeren Reisebericht geschrieben mit dem Titel: "Amerika in der Badehose". Dieser Bericht nimmt aus einer quasi humoresk ontologischen Perspektive diese schrecklichen Zäune aufs Korn, die in den USA fast überall entlang der Interstate-Straßen stehen. In diesem Jahr will ich wieder rüber: Bin mal gespannt, ob mir einer von den Grenzfuzzis genau diese "Akte" unter die Nase hält und mich damit ins nächste Flugzeug gen Heimat schiebt, unter dem Verweis, ich sei künftig eine persona non grata ... P.S. Falls ja, ist Die taz die erste, die's erfährt und weitergeben darf ... -,))

  • F
    Fritzlothar

    Wieso sollte diese Bundes"regierung" denn mehr tun als Achselzucken? Hat man denn vergessen, daß die Daten der Bürger einfach so von kommerziell Interessierten von den Meldeämtern abgefragt werden sollten? Nicht nur die "liberale" FDP fand nichts dabei. Was ist mit der eigenen Vorratsdatenspeicherung? Diese Regierung will das nach wie vor. Also was soll's? Die US Geheimdienste machen es einfach, die deutschen Schlapphüte und wer-weiß-wer -sonst-noch-alles profitieren davon. Gesetze? Gar Grundgesetz? Welcher Partei gehörte Innenminister Zimmermann an, der mit dem GG unter dem Arm nicht herumlaufen wollte? Ach ja richtig: der CSU...

  • VB
    Volker Birk

    14.12.2012, 11:22

    Überwachung:

    Bundesregierung will Zugriff auf die Daten in der Cloud

     

    http://www.golem.de/news/ueberwachung-bundesregierung-will-zugriff-auf-die-daten-in-der-cloud-1212-96364.html

     

    14.12.2012

    Schnüffler drängen in die Wolke:

    “Unter Missachtung des Trennungsgebots forschen Polizeien und der Inlandsgeheimdienst an der Telekommunikationsüberwachung von Cloud-Diensten”

    http://www.heise.de/tp/blogs/8/153366

     

    2.4.2013, 18:32

    SFZ TK

    Bundesregierung will an die Verschlüsselung in der Cloud

    http://www.golem.de/news/sfz-tk-bundesregierung-will-an-die-verschluesselung-in-der-cloud-1304-98477.html

     

    3. April 2013 09:29

    Überwachung Bundesregierung will an die Verschlüsselung in der Cloud

     

    http://www.sueddeutsche.de/digital/ueberwachung-bundesregierung-will-an-die-verschluesselung-in-der-cloud-1.1638896

     

    “Das gemeinsame Forschungszentrum von Polizei und Geheimdiensten SFZ TK untersucht detailliert die Verschlüsselung beim Cloud Computing. Die Ergebnisse werden laut Bundesregierung nicht veröffentlicht.”