NS-Raub: Die Rückkehr der geraubten Bücher

Eine Ausstellung in der Zentralbibliothek widmet sich den Büchern, die Juden während der NS-Zeit geraubt wurden. Das vor kurzem aufgetauchte "Eingangsbuch J" verzeichnet, welche Bücher im Bestand das sind.

Im Foyer der Berliner Zentralbibliothek fällt der Blick der Besucher derzeit auf recht ungewöhnliches Mobiliar: ein Holzregal, wie man es heute vielleicht noch in manchen Wohnstuben der älteren Generation findet. Es ist vollgepackt mit Büchern: Romanen, historischen Werken, Kinderbüchern. Man sieht ihnen an, dass sie nicht nur im Regal gestanden haben, sondern auch gelesen wurden.

Was es mit dem Lesefutter auf sich hat, erfährt der Besucher von den Stelltafeln: Es sind Bücher von Berliner Jüdinnen und Juden, die in der NS-Zeit geraubt wurden. Die ausgestellten Exponaten sind allerdings nur ein Bruchteil des Diebesguts. 45.000 Bücher hat die Berliner Stadtbibliothek 1943 erstanden und dafür 45.000 Reichsmark an die Städtische Pfandleihanstalt gezahlt. Die Besitzer waren zu dieser Zeit schon in die Vernichtungslager deportiert worden. Und die deutsche Bürokratie war auch hier gründlich. Alle Neuzugänge wurden in einem Eingangsbuch J notiert. Das J stand für Juden. Der letzte Eintrag stammt vom 20. April 1945. Nach dem Krieg wurden die Bücher stapelweise katalogisiert und füllten die Bestände auf.

Erst Anfang 2008 hat der Kurator Detlef Bockenkamm das Buch J gefunden und damit die Grundlage für die Ausstellung geschaffen. Bockenkamm sieht darin den viel zu späten Versuch, die Bücher doch noch an die Erben der ehemaligen Eigentümer zurückzugeben. Das ist ein schwieriges Unterfangen, weil nur in höchstens 10 Prozent der Bücher Hinweise auf die BesitzerInnen zu finden sind.

Doch es gab schon einen Erfolg. In einem Kinderbuch fand sich der handschriftliche Eintrag "dem lieben Wolfgang Lachmann in Freundschaft gewidmet, Chanuka 5698, Dezember 1937". Durch einen Spiegel-Artikel erfuhr der heute 83-Jährige Wolfgang Lachmann vom Verbleib seines vor fast 70 Jahren geraubten Buches. Er hat mehrere Vernichtungslager überlebt und war 1946 in die USA ausgewandert. Mit der Präsentation seines Buches in der Berliner Ausstellung ist der Mann einverstanden. "Ich hatte es nicht für die letzten siebzig Jahre, so werden noch ein paar Monate nichts ausmachen", erklärte er.

Nach Angaben von Historikern haben sämtliche deutschen Bibliotheken noch heute Hunderte in der NS-Zeit geraubte Bücher in ihren Beständen. Es ist schon erstaunlich, dass darüber mehr als 60 Jahren der Mantel des Schweigens gelegt wurde. Deshalb ist besonders erfreulich, dass diese Ausstellung jetzt im öffentlichen Raum gezeigt wird und von den BibliotheksbesucherInnen nicht übersehen werden kann.

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