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NRW-Wahl nach Lafontaine-AusKomplizierte Gemengelage

In Nordrhein-Westfalen hofft die SPD nach dem Abzug des Parteivorsitzenden Lafontaine auf Rot-Grün. Die Grünen sind dagegen in Schwierigkeiten geraten.

Landesparteitag der Linkspartei NRW im November 2009. Bild: dpa

Wolfgang Zimmermann versucht, sich optimistisch zu geben. "Wir schaffen auf jeden Fall den Einzug in den Landtag", sagt der Landeschef der nordrhein-westfälischen Linkspartei trotzig. Doch bei der Wahl am 9. Mai wird es für seine Partei eng. Sie liegt in den Umfragen nur noch zwischen 5 (Forsa) und 6 Prozent (Infratest dimap). Durch den Verlust ihres großen Zugpferdes dürften nochmals 1 bis 2 Prozentpunkte verloren gehen.

Darauf hofft vor allem die SPD. "Der Abgang von Lafontaine erhöht die Chance, die Linke unter 5 Prozent zu halten", sagte der Vize-Landesvorsitzende Jochen Ott der taz. Das eröffne eine realistische Chance für Rot-Grün, glaubt er. "Wir sind im Aufwind", ist Ott überzeugt. Falls die Linkspartei in den Landtag einzöge, verschlechtere das die Möglichkeiten, CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers abzulösen. "Die Linke muss doch erst einmal klären, was sie eigentlich will", betont Ott. "Die Mehrheit des Landesverbandes setzt offenkundig auf Verweigerung." Da habe es "überhaupt keinen Sinn, sich Gedanken über eine Kooperation zu machen".

Die Strategie der Sozialdemokraten ist gewagt. Denn tatsächlich ist es nicht sehr wahrscheinlich, dass es SPD und Grünen alleine gelingt, CDU und FDP zu überflügeln. Es ist wohl die einzige Chance, die der SPD-Spitzenkandidatin Hannelore Kraft bleibt, um neue Ministerpräsidentin zu werden.

Die Grünen beteuern in ihren offiziellen Aussagen stets, weiterhin treu an der Seite der SPD zu stehen. "Unsere Wahlorientierung geht ganz klar in Richtung Rot-Grün", sagt der Landesvorsitzende Arndt Klocke. Intern wird aber eine andere Option diskutiert. Wie schon in Hamburg und im Saarland setzen maßgebliche grüne Funktionäre auch in Düsseldorf auf Schwarz-Grün. Immer noch sitzt bei ihnen die Verbitterung über die Demütigungen tief, die der Partei von den letzten sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Wolfgang Clement und Peer Steinbrück beigebracht wurden. Hinzu kommt, dass die SPD nach den Kommunalwahlen im vergangenen Jahr besonders in ihren Hochburgen im Ruhrgebiet gezeigt hat, dass in der Partei immer noch der alte Betongeist herrscht - was dazu geführt hat, dass die Grünen in vielen Kommunen geradezu in eine Kooperation mit der einst verhassten CDU gezwungen wurden. Insbesondere die Spitze der Landtagsfraktion um Fraktionschefin Sylvia Löhrmann und ihren Stellvertreter Reiner Priggen ist fest entschlossen, auch auf Landesebene die Gelegenheit zu Schwarz-Grün zu ergreifen. Voraussetzung ist jedoch, dass es keine eigenständige Mehrheit von Rot-Grün im Landtag gibt. Denn sonst könnten sie den Partnertausch nicht ihrer Parteibasis und ihrer Wählerschaft vermitteln. Dafür genau bräuchten sie die Linkspartei und deren vermeintliche "Politikunfähigkeit". Doch auch den Grünen ist bewusst, dass es für die linke Konkurrenz eng wird. "Der Einzug ist offen", sagt Parteichef Klocke.

Die komplizierte Gemengelage will sich die Linkspartei zunutze machen. "Wer Rüttgers ablösen will, muss die Linke wählen", sagt Landeschef Zimmermann. Er betont: "Wer Grün wählt, könnte sich nachher schwarz ärgern." Mit ähnlichen Aussagen zog Lafontaine in den saarländischen Wahlkampf. Auf dessen Hilfe setzt der nordrhein-westfälische Landesverband trotz seines bevorstehenden Abtritts. "Oskar Lafontaine hat mir zugesichert, dass er bei uns im Wahlkampf präsent sein wird." Fünf bis sechs Großveranstaltungen soll es mit dem angeschlagenen Noch-Bundesvorsitzenden geben.

Außerdem werde sich Lafontaine weiter in die Bundespolitik einbringen, versichert Zimmermann. "Das wünsche ich mir auch, denn wir haben eine große Nähe zu seinen Positionen."

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9 Kommentare

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  • D
    dissenter

    @kein PDL-Wähler

     

    Öhm, und können Sie bitte auch noch den qualitativen Unterschied zwischen Schwarz-Grün und Schwarz-Geld erklären? Oder zwischen Schwarz-Geld und Schwarz-Rot? Und bedenken Sie: Eine rot-grüne Mehrheit gegen Schwarz-Geld, ohne die Linke, hat nicht einmal Andrea Ypsilanti geschafft. Ja, genau, DIE Andrea Ypsilanti, die 2008 das mit Abstand beste SPD-Ergebnis seit Jahren holte und für kurze Zeit Hoffnungsträgerin war, bevor ihr von Springer, Koch & Co. der politische Garaus gemacht wurde.

  • KP
    kein PDL-Wähler

    Frage: was erreiche ich dadurch, dass ich die Partei DieLinke wähle?

     

    sie selber will nicht wirklich mit anderen regieren (ja klar, offiziell sagt sie, sie will. doch unter bedingung, dass die anderen große zugeständnisse machen, was nicht realistisch ist)

     

    die spd will nicht mit ihnen. die grünen auch nicht. also wird die pdl es nicht in die regierung schaffen.

     

    wenn schwarz-gelb eine mehrheit hat, wird das gemacht. wenn rot-grün eine mehrheit hat, wird das gemacht. wenn beides keine mehrheit hat wird schwarz-grün kommen.

    und wenn das auch keine mehrheit hat...tja... rot-rot-grün ist ausgeschlossen, jamaika auch, dann bliebe nur noch schwarz-rot oder neuwahlen...

     

    wer schwarz-gelb also ablösen will sollte lieber spd oder grüne als pdl wählen

  • D
    Daniel

    @christiane: Von Wählerbetrug im Saarland zu sprechen, ist eine Verdrehung der Tatsachen. Tatsächlich wurde eine Ampel-Koalition angestrebt, also mit FDP und SPD. Ausgeschlossen wurde aber keine Option, auch nicht der Gang in die Opposition.

     

    Nach der Wahl gab es zwei mögliche Koalitionen, beide mit grüner Beteiligung. Es kann also nicht "um des Machterhalts willen" sein, sich für die eine oder andere zu entscheiden. Die Wahl der Koalitionspartner zu haben ist eine selten glückliche Gelegenheit, den eigenen Preis in die Höhe zu treiben. Genau das wurde getan.

     

    Dass die Entscheidung letztlich gegen die Linke ausfiel, lag auch am Mangel an Vertrauen zur Linken, welche eine Anti-Grüne-Kampagne fuhr, um diese aus dem Parlament zu drängen. Mit jedenfalls genügt dies als Erklärung, obwohl ich mir selbst auch (endlich mal) ein links-links-grünes Bündnis gewünscht hatte. Dazu gehören aber immer drei.

     

     

    Keine Partei kultiviert Selbstkritik so exzessiv wie die Grünen. Das Interview mit Cohn-Bendit enthält aber weit mehr als nur Polemik. Ich zitiere erneut:

     

    "Debatten auf der Wahlkampfebene führen nicht weiter. Sie garantieren, dass Schwarz-Gelb der Sieger für lange Zeit bleibt. Grüne und Linke haben eine historische politische Verantwortung, sie müssen die Diskussion rationalisieren. Und sich fragen: Was können wir, jede Partei für sich, einbringen, wenn es gilt, Ökologisierung und soziale Frage zusammenzudenken?

    ...

    gerade Grüne und Linke [müssen] ab sofort einen alternativen Entwurf aufbauen, weil Schwarz-Gelb bei den entscheidenden Fragen die falschen Antworten gibt. Dieser Dringlichkeit muss sich Taktiererei unterwerfen."

  • C
    christiane

    "Wer grün wählt, wird sich schwarz ärgern"....

    Das Saarland unter Hubert Ulrich - Zitat Daniel Cohn-Bendit: "der Mafioso" - hat aufgezeigt, welch eine opportunistische und neoliberale Partei die Grünen seit Basta-Schröder geworden sind. Um des Machterhalts willen ist man zu allem bereit, auch zum Wählerbetrug, siehe Saarland.

    Dort soll der Koalitionseintritt mit schwarz-gelb von dem Unternehmer und FDP-Politiker Ostermann gekauft worden sein. Ein Untersuchungsausschuß hierzu ist vorgesehen.

    Auch die Grünen in NRW werden mit Rüttgers koalieren, wenn es mit der sPD nicht reicht.

    Immerhin haben sie soviel vom Saarland gelernt, dass sie es vor den Wahlen nicht kategorisch ausschließen, um es danach doch zu machen, ohne Rücksicht auf den Wähler, der die Müller-CDU abwählen wollte.

    Natürlich wurde um diesen Wählerbetrug nicht solch ein Aufsehen gemacht wie seinerzeit in Hessen, driftete man doch ins konservative Lager...

  • A
    Amos

    Ist doch eigentlich egal wer dran kommt. Das Sagen hat das Großkapital. Die Parteien verwalten nur noch. Die

    wollen doch nur noch gewählt werden, damit sie nicht den ganzen Tag zu Hause herumsitzen. Wir haben keine

    Parteien mehr-, nur noch Plutokratie.

  • C
    Christian

    Wow, wenn die Grünen mit Rüttgers zusammenarbeiten, bin ich sowas von raus.

  • B
    Bremer

    Nun Hoffen und Harren macht manchen zum Narren, heisst es ja bekanntlich, doch was nun, wenn Narren hoffen??

     

    Dann werden sie,- mit Verlaub - zu Idioten, genauer ausgedrückt: Zu Vollidioten.

     

    Solange sich die SPD Machtoptionen mit den Linken verwehrt, arbeitet sie hartnäckig am Projekt 18%...

     

    Womit will die SPD denn Rot-Grün verwirklichen? Hoffen die allen Ernstes, dass die Grünen auf 30% kommen?

     

    Ich fass es nicht. Herr, lass Hirn vom Himmel regnen...

     

    Ade SPD

  • M
    Martin

    Wer eine Alternative will hier in NRW, wenn er den Niedergang der städtischen Infrastruktur, kaum noch beleuchtete Strassen im Funzellicht, schließende Schwimmbäder, um Existenz kämpfende Bibiotheken, reduzierte Kultur, Theater und Museen, überall leerstehende Wohnungen und Geschäfte sieht, während Hotelbesitzer gar nicht mehr wissen, wohin mit dem vielen Geld, der wählt sowieso die Linke. Und die Situation wird nicht besser, sondern immer schlechter.

  • D
    dissenter

    Die SPD muss sich bewusst sein, dass sie bei der Bundestagswahl 2013 gar nicht anzutreten braucht, wenn ausgerechnet im gewichtigen Nordrhein-Westfalen eine weitere - dann die dritte - Koalition mit Grün und Schwarz an die Regierung käme. Denn die einzige rot-grüne Koalition bliebe dann die in Bremen, und eine weitere, mit oder ohne Beteiligung der Linken, wäre bei den Landtagswahlen bis 2013 nicht mehr zu erwarten. Im traditionell schwarz-gelben Baden-Württemberg jedenfalls wird es keine rot-rot-grüne Mehrheit geben, da mag Westerwave die Mehrwertsteuer für Hotels so oft ermäßigen wie er will.

    Hat Sigmar Gabriel irgendeinen wohlmeinenden Genossen an seiner Seite, der ihm klar macht, dass in NRW die Bundestagswahl vorentschieden wird? Oder wollen er und die SPD an ihrem infantilen Beißreflex nach links festhalten?