NRW: Grüner Vorstand tritt zurück

Landesvorstand zieht Konsequenzen aus Finanzskandal / Vorstandsmitglieder Morgenschweis und Folkers wollten nicht alleine zurücktreten / Prüfungskommission stellte fest: 110.000 Mark fehlen in der Kasse  ■  Aus Düsseldorf J.Nitschmann

Der achtköpfige Landesvorstand der nordrhein-westfälischen Grünen hat geschlossen seinen Rücktritt angekündigt. Er zieht damit Konsequenzen aus dem vor wenigen Tagen bekannt gewordenen Finanzskandal.

Zu diesem überraschenden Schritt hatte sich der Landesvorstand Mittwoch nacht während einer turbulenten Sitzung entschlossen. Zuvor hatten sich die beiden Vorstandsmitglieder Christina Morgenschweis und Gernot Folkers - die bereits zur Zeit der finanziellen Unregelmäßigkeiten bei den NRW-Grünen im Amt waren offensichtlich geweigert, alleine zurückzutreten. Insbesondere Landesvorstandssprecherin Morgenschweis soll die Aufforderung des Landesvorstands, gemeinsam mit ihrem Vorstandskollegen Folkers zurückzutreten, hartnäckig ignoriert haben. Die Aufforderung wurde in ihrer Abwesenheit ohne Gegenstimmen beschlossen. Erst nach ihrer Weigerung faßte der gesamte Landesvorstand den Beschluß, auf der kommenden Landesdelegiertenkonferenz am nächsten Wochenende in Aachen geschlossen zurückzutreten, um angesichts der Finanzaffäre „ein deutliches Zeichen“ zu setzen, „daß die Grünen die politische Verantwortung für die Fehler ihrer eigenen Vergangenheit übernehmen“.

Eine parteiintern eingesetzte Rechnungsprüfungskommission hatte zuvor acht Monate das Finanzmanagement der NRW-Grünen untersucht. Die Kommission stellte „bedrückende Mängel und einen Kassenfehlbestand von insgesamt rund 110.000 Mark fest, der sich auf den Zeitraum zwischen 1983 und 1987 erstreckt. Darüber hinaus hat die grüne Landespartei derzeit nach eigenen Angaben bei Darlehen und Vorschüssen noch Forderungen in Höhe von etwa 350.000 Mark offen, die nach Einschätzung von Mitgliedern der Rechnungsprüfungskommission zum größten Teil als uneinbringlich gelten.

Zusätzlich war Anfang dieser Woche bekannt geworden, daß die Staatsanwaltschaft Bonn bereits seit August dieses Jahres gegen Funktionäre und Mitarbeiter der nordrhein -westfälischen Grünen wegen des Verdachts der Untreue und der Steuerhinterziehung ermittelt. Dies hatte der Landesgeschäftsführer Georg Drewes zunächst - zum Teil sogar in „Gegendarstellungen“ - entschieden bestritten.

Der Landesvorstand erklärte nunmehr seine ausdrückliche Bereitschaft, der Staatsanwaltschaft Fortsetzung Seite 2

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bei den laufenden Ermittlungen „jede erdenkliche Unterstützung“ zu gewähren. Landesvorstandsmitglied Kunz zur taz: „Wir sind gegenüber der Staatsanwaltschaft in jeder Weise kooperationsbereit, weil uns daran gelegen ist, daß die Aufklärung vorangetrieben wird.“

Bei der Vorstellung des 84seitigen Berichts der Rechnungsprüfungskommission vor 14 Tagen hatte Landesvorstandssprecherin Morgenschweis persönliche Konsequenzen aus dem offenkundigen Finanzskandal entschieden abgelehnt. Sie begründete ihre Haltung damit, daß es bei den NRW-Grünen jahrelang keine klaren Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten für die Parteikasse gegeben habe. Landesvorstandssprecher Horst Fritsch warf seiner Vorstandskollegin daraufhin „mangelnde politische Sensibilität“ vor: die „politische Dimension und Brisanz dieser Finanzgeschichte“ sei von der Landesgeschäftsstelle zunächst einfach nicht erkannt worden. Harry Kunz sagte, es habe im Landesvorstand Leute gegeben, die alleine schon die Vorlage des Finanzprüfberichts für „eine Reinwaschung“ der Grünen gehalten hätten: „Die haben gesagt, wir lassen die Hosen runter, zeigen die schnöde Wahrheit, und dann ist es gut.“