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Archiv-Artikel

NETZWERK RECHERCHE, BRITISCHES FERNSEHEN, „ZEIT“, HELMUT KOHL Im Königreich der Gartenshows

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SILKE BURMESTER

Hallo, taz-Medienredaktion! Melde mich zum Einsatz zurück! Der Heimaturlaub war schön. Allerdings hat es nicht so viel Heimat gegeben. Ich war beim Briten. Und wenn vom Briten lernen auch nicht unbedingt Siegen lernen heißt, so doch Fernsehmachen. Das sagen ja alle. Und es stimmt, im Land von Fish & Chips bekommt man wirklich was zu sehen.

Die Serie „Embarrissing Bodies“ zum Beispiel. Eine Sendung, in der Menschen oder deren Darsteller mit einem Problem der physischen Art zu einer Ärztin gehen. Oder deren Darstellerin. Ein Mann etwa kommt, weil er Hämorriden hat. Ganz schlimme sogar. Ich hab weggeschaltet, als er seine Arschbacken öffnete, war aber wieder dabei, als er mit gespreizten Beinen vor dem operierenden Experten lag und dieser Instrumente in die etwa zwei-englische-Pfundmünzen-große, knallrote Wunde führte, aus der es fröhlich heraussuppte. Auch war ich kurz anwesend, als eine etwa 30-jährige Frau von dem Gestank berichtete, der von ihr ausgeht, seitdem sie 14 Jahre alt wurde. „Fish Odour Syndrom“ heißt das, worunter sie leidet, was mich dazu brachte, binnen Sekunden an „Embarrissing Brain“ zu erkranken und schnell wegzuzappen. Drangeblieben bin ich natürlich, als einer Gruppe von Männern in einer Sammeldusche erklärt wurde, wie sie sich waschen müssten. Untenrum. Das war sehr lustig.

Auch sonst haben die elf Tage im Königreich der BBC gezeigt, dass das ganze Lobgehudel auf das englische Fernsehen völliger Quatsch ist und der Auswurf derer, die die Welt wissen lassen möchten, dass sie mal woanders waren als in Halle oder Berlin. Wenn es in Deutschland auch nur ein Fünftel so viele Koch-, Garten- und Antiquitätenshows geben würde wie in GB, so viele schlechte Serien und so wenig Spielfilme, wäre Helmut Kohl längst für die Einführung des Privatfernsehens erschossen worden.

Apropos die faulige Birne. Was ist denn das für ein Zeit-Titel?! „Trotz allem, Glückwunsch!“ steht da und das Foto zeigt, wie Glimmstängel Helmut Schmidt nach dem Misstrauensvotum der Pfeife Helmut Kohl zur Kanzlerschaft gratuliert. Das hat der Altreaktionär Schmidt nun wirklich nicht verdient, dass man 28 Jahre nach dem schmählichen Moment sein Verhältnis zum Dicken auf diese Niederlage reduziert. Grad so, als würde er unablässig in seinem nikotinverklebten Bungalow in Langenhorn sitzen und an seinem Seelenfrieden basteln.

Ihren Frieden mit sich gefunden haben bekanntermaßen die Jungs vom „Netzwerk Recherche“, der Vereinigung der Festangestellten in oberen Gehaltsklassen, die postulieren, „ein Journalist macht keine PR“. Ihr stets über alle Zweifel, doch PR zu machen, erhabener Vorsitzender Thomas Leif fordert im Zuge der „Fachkonferenz „Fact-Checking – Fakten finden, Fehler vermeiden“ einen „Fakten-TÜV“. Mittels einer systematischen Überprüfung aller Inhalte sollen Fehler im Journalismus vermieden werden. Potzblitz, das hat es noch nie gegeben! So sieht das auch Leif: So ein Instrumentarium sei „ein Quantensprung für die Steigerung der journalistischen Qualität“, war bei Meedia zu lesen. Schade, dass die ihre Inhalte wohl nicht durch den „Fakten-Check“ laufen lassen. Dann wäre vielleicht aufgefallen, dass es bei Leif mit Qualität nicht so weit her ist wie mit den falschen Bildern. Ein Quantensprung nämlich ist laut Wikipedia „die kleinstmögliche Zustandsänderung“. Also ein ziemlicher Witz. Nun wird Leif sagen, ein Journalist guckt nicht bei Wicki. Stimmt. Aber der taz-Fakten-Checker wird es korrigieren, wenn’s nicht richtig ist. Und damit zurück nach Berlin!