NBA-Spieler heuern in Europa an: Teure Gäste
In der NBA wird gestreikt und gestreikt. Ein paar mittelmäßige Basketballer lassen sich so lange in Europa feiern – die echten Superstars bleiben lieber in Amerika.
"Nicolas hat heute das Spiel für uns im Alleingang gewonnen", sagte Jean-Luc Monschau zur Leistung seines Spielers Nicolas Batum. Just hatte SLUC Nancy die Euroleague-Partie gegen Bizkaia Bilbao Basket mit 87:73 gewonnen und der französische Nationalspieler Batum war mit 26 Punkten der überragende Mann. Lohn der Mühen: Die Wahl zum wertvollsten Akteur des zweiten Spieltags vergangene Woche.
Kurz zuvor war Andrei Kirilenko von ZSKA Moskau gar zum besten Spieler des Monats Oktober gewählt worden. Die beiden haben eines gemeinsam: Eigentlich sind sie Angestellte eines NBA-Teams. Batum spielt im normalen Sportleralltag bei den Portland Trail Blazers, Kirilenko bei den Utah Jazz. Allein der derzeitige Arbeitskampf in der besten Basketball-Liga der Welt ermöglicht es beiden, Kurzzeitverträge in der Heimat anzunehmen, die ihnen eine sofortige Rückkehr in die USA ermöglichen, sollte der Spielbetrieb dort wieder aufgenommen werden.
Verlief der Wechsel auf Zeit bei Batum und Kirilenko – zwei solide, aber eher unauffällige NBA-Spieler – noch eher lautlos, so überbieten sich andere europäische Vereine wie auch Teile der Presse in demütigen Kniefällen vor den Granden aus Übersee. In Deutschland wird seit Monaten versucht, den armen Dirk Nowitzki in die BBL zu schreiben, wahlweise zu Bamberg, Berlin oder gar zu Aufsteiger Bayern München.
Letzte bizarre Episode: Der Versuch des italienischen Spitzenklubs Virtus Bolgona, Liga-Ikone Kobe Bryant zu einem Gastspiel zu überreden. Prinzipiell naheliegend: Bryant wuchs in Italien auf, als sein Vater dort selbst als Spieler aktiv war. Zuvor war der 33-Jährige bereits aus Verhandlungen mit Besiktas Istanbul in der Türkei ausgestiegen – zu plump waren die Anwerbungsversuche, zu aufmerksamkeitsheischend die fast täglichen Wasserstandsmeldungen des Klub-Managements an den Boulevard.
Mit Deron Williams, Aufbauspieler aus Utah, immerhin zusammen mit Bryant Olympiasieger 2008, konnten sich die "schwarzen Adler" noch einigen. Dass der das Besiktas-Angebot annahm, mag eher ein Zeichen guten Geschäftssinns denn der Suche nach sportlicher Herausforderung sein – Besiktas spielt in der EuroChallenge, dem sportlich am wenigsten wertvollen europäischen Wettbewerb. Dem Vernehmen nach helfen Sponsoren bei der Finanzierung des Gehalts des 27-Jährigen, maximal können es fünf Millionen Dollar über ein Jahr werden.
Dem Image des auf dem alten Kontinent so sehr nach Bedeutung strebenden Sports zuträglich sind die erhofften Transfercoups jedoch nicht unbedingt. Was bringen die kurzzeitigen Schlagzeilen, wenn die so angehimmelte Prominenz von über dem großen Teich dann plötzlich wieder weg ist? Ist es wirklich vorteilhaft, wenn selbst eher mittelmäßige NBA-Akteure auf der großen europäischen Bühne die angestammten Aushängeschilder aus Italien, Frankreich oder Russland alt aussehen lassen?
Wie ernst die Topstars aus New York, Chicago, Miami oder Los Angeles die Option Europa wirklich nehmen, das zeigen die vielen von Sponsoren und Spielern selbst organisierten Events in den Staaten, von deren Klasse, Spannung und Publikumsandrang manche Euroleague-Partie und so ziemlich jedes BBL-Spiel träumen würde. Bereits vor Jahren hieß es von Überspieler LeBron James, er könne sich ein Engagement bei einem Spitzenklub in Europa vorstellen - "für 50 Millionen Dollar pro Jahr würde er kommen" zeigte das Management von "King James" Humor.
"Wenn wir schon nicht nach Europa wollen, dann lasst uns doch einfach unsere eigene Liga gründen", schlug Amare Stoudemire von den New York Knicks nun bereits im Hinblick auf eine anhaltende Spielpause vor. Die wird auf jeden Fall noch bis 30. November andauern, nachdem die NBA-Führungsetage am Freitag weitere Einschnitte im Spielplan vollzogen hat.
Bologna-Präsident Claudio Sabatini hat indes noch ein Ass aus dem Ärmel gezogen. Angeblich hat er das Ringen um Bryant noch nicht aufgegeben. Ein Brief an US-Präsident Obama soll den Transfer anschieben: "Ich habe dem Weißen Haus geschrieben, dass wir der NBA auf keinen Fall einen ihrer Stars wegschnappen wollen, wir möchten einfach nur ganz Italien die Möglichkeit geben, diesen großartigen Spieler live zu sehen", erklärte Sabatini. Eine Antwort aus Washington steht noch aus.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen