NACHWUCHS: Viel Beifall fürs "Vaterland"
Die Junge Union wählt nach einem kurzen liberalen Ausflug wieder einen erzkonservativen Vorsitzenden. Und lernt, dass beim Sex Kinder entstehen können
"Ist die CDU zu links?" - über diese Frage wollte die Junge Union am Samstag auf ihrem Landestag im Bremerhavener Klimahaus diskutieren. Oder besser: diskutieren lassen. Eingeladen hatte die Jugendorganisation der CDU dazu den ehemaligen CDU-Bausenator Jens Eckhoff sowie den Bonner Journalisten Martin Lohmann, einem Vertreter der "Aktion Linkstrend stoppen - für eine geistige Wende". Auf deren Homepage wurde Eckhoff "als heftig umstrittener Frontmann der links-liberalen CDU-Mitglieder" angekündigt, Lohmann selbst wechselte im Verlaufe des Gesprächs von "lieber Jens Eckhoff" zu "Herr Ex-Senator".
Weitaus irritierender schienen die Zuhörer und Handvoll Zuhörerinnen allerdings Lohmanns nachholenden Sexualkundeunterricht zu finden. "Wenn man miteinander ins Bett geht, muss man wissen, was dabei entstehen kann", erklärte der Vorsitzende des "Bundesverbands Lebensrecht", der damit seine Ablehnung von Schwangerschaftsabbrüchen begründete. Ein Thema, was seiner Ansicht nach von der CDU vernachlässigt würde. Zuvor hatte ihn Maximilian Neumeyer - einer der wenigen Nachwuchs-Konservativen, der nicht im Jackett über gestreiftem Hemd, sondern im bunten Sweatshirt erschienen war - damit konfrontiert, dass ungewollte Schwangerschaften eine Tatsache seien. "Jeder muss selbst entscheiden, ob er oder sie ein Kind bekommen möchte - was nutzt es, wenn junge Menschen Eltern werden und noch gar nicht so weit sind?", fragte Neumeyer und erntete dafür von zwei jungen Frauen ein zustimmendes Klopfen.
Neben den "Tötungen" von "wachsendem Leben" referierte Lohmann über das auch von seiner Partei betriebene "Geschlechter-Umerziehungs"-Programm "Gender Mainstreaming", für Lohmann "eine marxistisch-linke Ideologie" und ein "Versuch, das christliche Menschenbild in seiner Wurzel zu zerstören".
Als weiteren Beleg dafür, dass die CDU dabei ist, vom rechten christlichen Weg abzukommen, diente dem Katholiken deren Familienpolitik. "Junge Menschen wünschen sich ewige Treue", wusste er zu berichten, und dass die Gesellschaft ihnen aber die Möglichkeit nehme, diese Treue zu leben. Wie sie das macht, wurde nicht klar, aber es hängt Lohmann zufolge zusammen mit dem "sozialistischen Gedanken des Krippenplatzes", der Familien die Wahlfreiheit nehme. Beinahe zurückhaltend kritisierte er die Homo-Ehe, deren Einrichtung die heterosexuelle Ehe "diskriminieren" würde. Davon abgesehen habe er aber selbst homosexuelle Freunde und sei gegen Diskriminierung.
Wenn Lohmann, ungebremst vom Moderator, eine Atempause machte, konnte Jens Eckhoff das sagen, wofür er eingeladen wurde: Dass die gesellschaftliche Mitte, auf die die CDU ziele, in einem Stadtstaat wie Bremen woanders liege als in "Süd-Oldenburg oder Bayern" und man dringend Migranten integrieren und Trends in der Gesellschaft "offen gegenüberstehen" müsse. Deshalb habe er auch schon früh für eine Öffnung der CDU zu den Grünen plädiert. Darüber hinaus erklärte er Lohmann, welchen Sinn das von diesem geschmähte Gender Mainstreaming habe: "Es geht darum, dass niemand aufgrund des Geschlechts in seiner Entwicklung benachteiligt wird." Frauen, so Eckhoff, hätten bisher massive Nachteile zu erleiden gehabt. Er sei froh, dass dagegen etwas getan werde.
Stichwort Familienpolitik: "Lassen Sie uns doch mal durch einige Stadtteile in Bremerhaven gehen, da gibt es trinkende Alleinerziehende mit vier Kindern von vier Vätern - für die ist es ein Segen, wenn es Krippenplätze gibt." Dass die CDU diejenigen, die Lohmann als "Normalfamilie" bezeichnet, diskriminiere, könne er nicht erkennen. "Wir erhöhen jedes Jahr das Kindergeld", sagte Eckhoff, wobei man sich fragen müsse, ob man das Geld nicht besser armen Familien gebe - die von einer Kindergelderhöhung nicht profitieren.
Da es nur zwei Wortmeldungen aus dem Publikum gab, war nicht klar, ob die Junge Union Bremen eher zu Eckhoffs Positionen oder denen von Lohmann neigt. Der zweite Sprecher, Johannes Lihl, der ebenfalls den Linkstrend stoppen will, outete sich auch als Abtreibungsgegner und wollte darüber diskutieren, wie man Muslime integrieren wolle: "Wenn der Islam sagt, die Frau wird geschlagen und Ehrenmorde und so."
Als Indiz dafür, dass die 371 Bremer Nachwuchs-CDUler nicht "zu links" sind, kann die vor dem Streitgespräch durchgeführte Wahl des Landesvorsitzenden dienen. Es gewann mit 28 zu 15 Stimmen Daniel Buljevic, der erst auf dem Parteitag vorgeschlagen worden war. Der "Linkstrend"-Gegner sprach sich anders als sein Kontrahent, Michael Jonitz, strikt gegen eine Koalition mit den Grünen aus.
Applaus bekam er auch für seine in dieser Reihe vorgetragenen politischen Überzeugungen: "Ich bin für ein klares Bekenntnis zum Vaterland" (donnerndes Klopfen), "für eine Unterstützung der Soldaten in Afghanistan" (noch einmal), "für Unterstützung von Familien" (leiseres Klopfen) und "dafür, Umweltpolitik nicht den Grünen zu überlassen" (sehr zaghaftes Klopfen). Außerdem sei er dafür, dass auch in der CDU jeder sagen könne, was er denke. Konkrete politische Ziele für Bremen nannte er im Gegensatz zu Michael Jonitz nicht. Zu Buljevic' erstem Stellvertreter wurde Johannes Lihl gewählt.
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