NACHHALTIGKEIT VERMITTELN: Keine Angst vorm Klimawandel
Eine Bremer PR-Agentur "verkauft" die Folgen der Erderwärmung, zum Teil finanziert mit öffentlichen Mitteln. Der Geschäftsführer erklärt, wie das funktioniert.
taz: Herr Lieberum, macht ein verregneter Sommer Ihre Arbeit zunichte? Ihre PR-Agentur "verkauft" den Klimawandel, den viele jetzt wieder bezweifeln.
Andreas Lieberum: Stimmt, es ist unter diesen Umständen schwieriger, die Realität der Erderwärmung zu vermitteln. Das liegt daran, dass wir das Klima nicht spüren können, weil es sich dabei um einen gemittelten Wert über einen Zeitraum von 30 Jahren handelt. Wir nehmen nur sehr subjektiv die vielen kleinen Wetterhäppchen wahr, die das Klima ausmachen. Ich bin mir sicher, dass die meisten Leute sagen werden, "2011 war ein richtig kaltes Jahr" und am Ende wird sich zeigen, dass die Durchschnittstemperatur nicht unter der des Vorjahres liegt.
Wie vermitteln Sie den Klimawandel?
Andreas Lieberum, 57, ist Diplom-Biologe und Geschäftsführer der PR- und Projektmanagement-Agentur "Ecolo" sowie des "Sustainability Center Bremen" (SCB) - einem Zusammenschluss mit zwei weiteren auf Umweltthemen spezialisierten Agenturen. Das SCB ist beteiligt am staatlich geförderten Projekt "Nordwest 2050", das "mit Akteuren aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft einen Fahrplan zur Klimaanpassung für die Metropolregion Bremen-Oldenburg" entwickeln soll.
Wir müssen versuchen, für unsere jeweilige Zielgruppe den Klimawandel in einen Handlungskontext zu packen, sie selbst herausfinden zu lassen, was er für sie bedeutet. Bei einer künstlerischen Arbeit mit Schülern kam heraus, dass sie den Klimawandel als Bedrohung für ihre Zukunft erleben, sie haben das bildlich als große Welle dargestellt, die über sie herein bricht.
Dabei werden wir diese Welle kaum abbekommen.
Ja, wir sind in dieser Hinsicht vom Glück geküsst. Andere Regionen sind jetzt schon von den Folgen der Erderwärmung betroffen. Außerdem sind wir weniger verwundbar, da wir die finanziellen und logistischen Mittel haben, um uns auf Veränderungen einzustellen. Als vor zwei Wochen nach dem Starkregen alles überflutet war, dauerte es nicht lange und die Tunnel waren wieder leer. In anderen Ländern hätte so ein Wetterereignis katastrophale Folgen.
Aber Sie könnten die negativen Folgen stärker hervor heben. Stattdessen heißt es in einer Filmreihe, die über den Klimawandel im Nordwesten informieren soll: "Keine Panik".
Ich glaube, dass man mit einem Bedrohungsszenario nicht weiter kommt, dass Menschen dann die Schotten dicht machen. Es gab in den 70ern eine drastische Kampagne gegen das Rauchen mit Fotos von Krebsgeschwüren. Aber sie hatte keinen Effekt, die Leute haben nicht weniger geraucht. Wir versuchen, das Ganze spielerisch anzugehen, es muss schließlich auch einen Spaßfaktor haben.
Mal ehrlich: Haben Sie keine Bauchschmerzen, wenn Sie bei dem Thema so etwas sagen?
Doch. Aber solange ich keine Beweise habe, dass eine Schlagdrauf-Kampagne mehr bringt, versuche ich, zumindest einen Teil unserer Zielgruppen auf eine Weise zu erreichen, die nicht frustriert, sondern Anreize zum Handeln bietet.
Auch zur Änderung des eigenen Verhaltens?
Das wissen wir nicht, weil wir es nicht untersuchen.
Wie gehen Sie privat damit um? Fliegen Sie?
Selten. Ich finde es okay, wenn man ein Land kennen lernen will: Ich war selbst im letzten Jahr mit meinen Kindern in den USA. Bedenkenswert finde ich es, wenn man in die Türkei fliegt in ein Full-Service-Hotel, um dem vermeintlich schlechten Wetter hier zu entfliehen. In jedem Fall sollte man die CO2-Belastung kompensieren - auch wenn das ein moderner Ablasshandel ist, der aber dem Klimaschutz zugutekommt.
Wie deutlich sprechen Sie mit Ihren Kunden über solche Themen?
Sehr deutlich, das nehme ich mir heraus. In einem Fall wollte ein Unternehmen seinen Umweltbericht von uns texten und gestalten lassen. Da habe ich mir vorher angeguckt, ob das alles so stimmt, wie es behauptet wird.
Und lehnen Sie es ab, eine umweltfeindliche Hochglanzbroschüre zu drucken?
Nein, das können wir uns nicht leisten, das entscheidet der Kunde. Aber viele wissen gar nicht, wie gut das Recycling-Papier mittlerweile ist, das empfehle ich dann, genau so CO2-zertifizierte Druckereien. Und wenn wir eine Veranstaltung planen, dann verweisen wir auf Bio-Caterer und berechnen, wie viel CO2 eine Veranstaltung produziert und schlagen vor, das als Geldwert in den Klimafonds einzuzahlen.
Und können Sie Ihre Kunden umstimmen?
Meistens ja.
Kann man sagen, dass Sie vom Klimawandel profitieren? Sie verdienen Ihr Geld damit.
Ja, wir bieten eine Dienstleistung an, die nachgefragt wird. Das ist gut für insgesamt 15 Menschen, die hier arbeiten - angefangen haben wir zu zweit. Aber bevor ich 1994 die Agentur mit meinem Kollegen gegründet habe, habe ich mich schon zehn Jahre privat mit dem Thema Umweltschutz beschäftigt.
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