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Archiv-Artikel

NACH DEM ANSCHLAG AUF DEN PRÄSIDENTEN DROHT OSTTIMOR DAS CHAOS Ordnungsmacht Australien

Die Attentate waren dilettantisch vorbereitet. Zum Glück, muss man sagen. Denn ansonsten hätte Osttimor womöglich gleichzeitig seinen Präsidenten José Ramos-Horta als auch Premierminister Xanana Gusmão verloren. Beide gelten als populär. Und kaum etwas wäre schlimmer gewesen für das von Armut und Gewalt zerrissene Land, das auch sechs Jahre nach seiner Unabhängigkeit von Indonesien unter politischer Instabilität leidet.

Die vom getöteten Rebellenführer Alfredo Reinado und seinen Anhängern initiierten Mordversuche sind Ausdruck dieser Zerrissenheit. Denn sie richteten sich gegen das politische Establishment, das der landesweit gesuchte Reinado in den einstigen Unabhängigkeitshelden Jose Ramos-Horta und Xanana Gusmão verkörpert sah.

Immer noch ist das Land nicht in der Lage, sich selbst zu regieren. Der ehemalige Marinechef Reinado hatte während der Unruhen im Frühjahr 2006 eine Schlüsselrolle inne. Die damalige Krise, die schwerste seit der Unabhängigkeit Osttimors, war durch die Entlassung von 600 streikenden Soldaten, etwa 40 Prozent der Streitkräfte, ausgelöst worden. Diese hatten sich zuvor beschwert, der damalige Premierminister Mari Alkatiri würde Armeeangehörige aus dem Osten gegenüber jenen aus dem Westen bevorzugen. Es kam zu Protesten und Unruhen, Armee und Polizei spalteten sich in Ostler und Westler.

Osttimor ist weit entfernt von einem Frieden zwischen den rivalisierenden Lagern. Ob die jüngsten Attentate auf Präsident Ramos-Horta und Premier Gusmão sowie der Tod des teils als Held verehrten Reinado die Lage verschärfen werden, ist noch unklar. Fest steht nur: Das Land, das zu den ärmsten der Welt gehört, wird auch langfristig noch von internationaler Hilfe abhängig sein – unter anderem von der Präsenz internationaler Einsatztruppen unter australischer Führung, die seit Mitte 2006 im Land sind.

So sagte Australiens Premier Kevin Rudd nach Absprache mit Osttimors Regierung denn auch weitere Friedenstruppen für Osttimor zu. Unabhängigkeit sieht anders aus. NICOLA GLASS