: Mythos Dollar
■ Die Münze von Metropolis
Angefangen hat alles im Erzgebirge: Aus dem Silber des 1516 eröffneten Bergwerks in Joachimstal, im Volksmund seit alters sTal genannt, wurde von 1519 an eine Münze geprägt, die anfangs Joachimstaler hieß. Die Kürzung Taler ist erstmals 1540 belegt, und daher stammen der italienische Tallero, der dänische Daler, der niederländische Daalder und schließlich auch die englische Bezeichnung Dollar. Im deutschen Sprach– und Zahlungsverkehr hat sich der Taler nahezu 300 Jahre gehalten, erst 1908 wurde der Reichstaler durch das Dreimarkstück ersetzt, zu einem Zeitpunkt, als er in der Neuen Welt längst seinen Siegeszug angetreten hatte. Schon 1792 war der Taler als Dollar etabliert, und mit dem Aufstieg der USA zur führenden Wirtschaftsnation des Industriezeitalters entwickelte sich der Dollar zur Weltwährung. Ob der Tequila in einer Bar in Mexico, ob ein Haifisch–Steak auf den Osterinseln, Koks in Kalkutta oder Wodka in Saudi–Arabien - wo immer irgend etwas käuflich ist, gegen Dollar ist es zu haben. Wenn selbst ein Berg landesüblichen Papiergelds versagt, wirken ein paar Bucks Wunder, für eine Handvoll Dollar tun manche Leute wirklich alles (nur in Hollywood muß es schon ein Köfferchen sein). Die kosmopolitische Kaufkraft, das internationale „Sesam öffne dich“, die Münze von Metropolis - kein Wunder, daß der Urlauber die heimgebrachten Escudos, Peseten, Lire, Franc in die Ecke schmeißt oder schleunigst, selbst mit Verlust, zurücktauscht, die Dollars hingegen als Notreserve im Nachttisch bunkert. Es soll ja Zeiten gegeben haben, als man mit einem Päckchen „Lucky Strike“ eine ganze Familie satt machen konnte. Und wer glaubt schon daran, daß nach der nächsten Stunde Null Rubel gefragt sein könnten. „A strong country needs a strong currency“ verkündete der Dollar– Präsident Reagan 1985, nachdem sich in nur zwei Jahren der Wert gegenüber den europäischen Währungen verdoppelt hatte. Daß Reagan heute, wo der Dollar auf seinem absoluten historischen Tief notiert ist, das Gegenteil sagen läßt - daß nämlich ein starkes Land nur durch eine schwache Währung international konkurrenzfähig bleibe -, dieser Widerspruch enthüllt nur eine weitere mythische Banalität: Beim Tanz um das Goldene Kalb wird gelogen, daß sich die Balken biegen. Anything goes: Selbst wenn der Dollar nach außen schwach wird, sein Kern ist und bleibt hart, schließlich steht ein starkes Land dahinter. So oder so ähnlich könnte der Priester–Spruch lauten, falls der Mythos bald für 99 Pfennig zu haben ist. McCashFlow
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