Mysteriöser Lärm: Der Brummton ist zurück
Bereits vor acht Jahren wurden Hamburger durch einen mysteriöses Brummen genervt. Im Westen der Stadt taucht der niederfrequente Ton jetzt wieder auf.
Ende der 90er Jahre häuften sich in Süddeutschland Beschwerden über einen tiefen Brummton, der die Betroffenen in den Wahnsinn treibe. Es klinge wie ein Lastwagen der seinen Dieselmotor im Standgas vor dem Haus laufen lässt. Dieser Vergleich ist in fast allen Schilderungen der Brummton-Opfer zu finden.
Nachdem sich das rätselhafte Geräusch fleckenartig über die gesamte Republik auszubreiten schien, wurde es 2001 auch in Hamburg und Schleswig-Holstein gehört. Die Behörden machten diverse Geräuschmessungen. Doch eine Quelle des unterschwelligen Tons an der Grenze zum Infraschall ist nach wie vor unbekannt. Die Erklärungsansätze reichen von elektromagnetischen Feldern über Vibrationen der Erde bis hin zu militärischen Geheimprojekten und außerirdischer Strahlung.
In Rissen beschwerte sich jetzt ein 40-Jähriger beim Bezirksamt Altona, den Brummton wieder zu hören. Besonders in der Nacht sei der Ton präsent, nicht mehr als drei Stunden könne er schlafen, sagte der Anwohner. Auch seine Nachbarn seien betroffen.
Auch beim ersten Auftreten des Brummtons im Jahr 2001 seien die Beschwerden "hauptsächlich aus dem Hamburger Westen" gekommen, sagt Jürgen Langbehn vom Bezirksamt Altona. Im Oktober 2007 hatte die Umweltbehörde dann mit einem speziellen "Lärmmesswagen" den Geräuschpegel in Rissen gemessen. Doch der Grenzwert von 20 Dezibel wurde nicht überschritten. "Mit 17,5 Dezibel liegt der Wert knapp unter der Toleranzschwelle", sagt Volker Duman, Sprecher der Umweltbehörde.
"Die Situation ist schwierig", sagt Langbehn vom Bezirksamt. Solange das Brummen "messtechnisch nicht erfassbar" sei, könne von öffentlich-rechtlicher Seite nicht eingegriffen werden.
Laut einem Bericht der Welt vermutet der Rissener Lärmgeplagte die Quelle des Brummens im neu in Betrieb genommenen Desy-Teilchenbeschleuniger "Petra III" . Seitdem dieser im April hochgefahren worden sei, höre er das dumpfe Dröhnen. Desy-Sprecher Chistian Mrotzek hält einen Zusammenhang für unwahrscheinlich: "Unsere Experten haben den Fall geprüft." Es sei nahezu ausgeschlossen, dass der Teilchenbeschleuniger für die Lärmemissionen im neun Kilometer entfernten Rissen verantwortlich ist.
Außerdem sei "Petra III" bereits vor seiner offiziellen Inbetriebnahme eingesetzt gewesen - zur "Vorbeschleunigung" für den alten Beschleuniger "Hera". Zwar seien beim Desy neue Trafos im Betrieb, die einen 100 Herz Brummton erzeugen, doch die seien durch Schallschutzwände isoliert und schon ab 20 Metern Entfernung nicht mehr wahrnehmbar.
"Wenn das neun Kilometer entfernte Desy die Quelle wäre, müsste es doch deutlich mehr Beschwerden geben", sagt Mrotzek. Das sieht man bei der Umweltbehörde ähnlich. "Wir müssen jetzt erstmal abwarten, ob weitere Beschwerden kommen", sagt Volker Dumann. Doch man bleibe dran. Im September wird der Lärmmesswagen noch einmal nach Rissen geschickt.
Vielleicht ergeht es dem Brummton ja wie 2001. Da verschwand er nach einigen Wochen so plötzlich, wie er gekommen war. In aller Stille geriet das Geräusch in Vergessenheit.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Verfassungsklage von ARD und ZDF
Karlsruhe muss die unbeliebte Entscheidung treffen
Kanzlerkandidat-Debatte
In der SPD ist die Hölle los