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„Mutter aller politischen Schnitzer“

Die US-Regierung gerät wegen ihrer Irak-Politik unter Beschuß/ Saddam Hussein soll mit amerikanischem Geld seine Armee aufgerüstet haben/ George Bush gerät erheblich unter Druck  ■ Von Martina Sprengel

Das Timing ist perfekt. Kurz nach dem zwanzigsten Jubiläum von Watergate häufen sich in der amerikanischen Presse Berichte über einen neuen Regierungsskandal, dem einige Kommentatoren bereits die Dimension von Watergate zuschreiben. Nach Watergate, Irangate nun Irakgate. Angelpunkt der Affäre ist die Verwendung von US-Kreditgarantien für Saddam Hussein in Höhe von rund fünf Milliarden Dollar. Damit sollte dem Irak der Kauf von amerikanischem Getreide und anderen Agrarprodukten ermöglicht werden— statt dessen, so behaupten US-Ermittler jetzt, hat Saddam das Geld aber für Waffen ausgegeben. Die Bush-Regierung, so lautet der zentrale Vorwurf, wußte davon und hat beide Augen zugedrückt oder sogar Beweise für diesen Betrug vertuscht. Die ganze Sache hat nur einen Haken: bislang können die Demokraten und vor allem Henry Gonzalez, der Vorsitzende des Bankenausschusses im Repräsentantenhaus, weder belegen, daß das Weiße Haus von den illegalen Waffenkäufen der Irakis wußte, noch daß diese überhaupt getätigt wurden. Eine zentrale Rolle in der Geschichte spielt die Banca Nazionale del Lavoro (BNL), die größte italienische Regierungsbank, über deren Filiale in Atlanta, Georgia, vor allem die Irak-Geschäfte abgewickelt wurden. Im Herbst 1989 hatte das FBI bei einer Durchsuchung der BNL-Räumlichkeiten nicht nur entdeckt, daß die Bank dem Irak illegal weit mehr Kredit (drei Milliarden Dollar) eingeräumt hatte, als durch die Regierungsgarantien gedeckt waren. BNL schien außerdem Lieferungen von Maschinen und Computer-Technologie an den Irak finanziert zu haben, die für zivile, aber auch militärische Zwecke eingesetzt werden konnten. Zu Beginn seiner Untersuchung der BNL-Affäre hatte Gonzalez nur die offensichtlich fehlgeschlagene Kontrolle von ausländischen Banken durch die US-Behörden im Blick. Schnell wurde ihm aber klar, daß er offensichtlich in ein Wespennest gestochen hatte. Nach der FBI-Aktion bei BNL im August 1989 zirkulierten — so Gonzalez — in verschiedenen Regierungsbehörden Memoranden, die darüber spekulierten, daß die US- Lebensmittelhilfe vom Irak möglicherweise als Subvention für sein Waffenarsenal mißbraucht worden sei. Mißtrauisch geworden, kürzte das Landwirtschaftsministerium, über dessen Konten der größte Batzen der Irak-Hilfe lief, die für 1990 eingeplante Summe. Ein kurzer Anruf von Außenminister Baker bei seinem Amtskollegen sorgte allerdings dafür, daß mit dem Hinweis auf „außenpolitische Gründe“ die volle Milliarde an Kreditgarantien angewiesen wurde. Im Oktober — wenige Wochen nach dem Giftgasangriff Iraks auf die Kurden — hatte Bush im übrigen mit seiner „National Security Directive 26“ allen nachgeordneten Behörden klargemacht, wo es langgeht. Die Direktive, die als Richtlinie für die amerikanische Politik gegenüber dem Irak bis zu dessen Einmarsch in Kuwait ein Jahr später diente, ordnete laut 'New York Times‘ an, mit wirtschaftlichen und politischen Anreizen mäßigend auf Saddam Hussein einzuwirken und so den US-Einfluß in seinem Land zu vergrößern.

Daß diese Politik fehlgeschlagen ist — von dem New Yorker Demokraten Charles Schumer als „Mutter aller außenpolitischen Schnitzer“ verlacht —, geben mittlerweile selbst Leute wie der stellvertretende Außenminister Lawrence Eagleburger zu. Im iranisch-irakischen Krieg hatte man versucht, den Irak mit der 1983 begonnenen Auslandshilfe als Gegengewicht zum islamisch-fundamentalistischen Iran aufzubauen. Danach sollte Hussein — wie in Bushs Direktive beschrieben — gezähmt und in die westliche Allianz eingebunden werden.

Wie der Demokrat Bill Clinton „Irakgate“ im Wahlkampf gegen George Bush nutzen wird, hat sein Stab noch nicht entschieden. Für die üblichen Spots ist die ganze Geschichte aufgrund ihrer Komplexität vollkommen ungeeignet. Eines ist allerdings sicher: Bushs Wahlkampfstrategen werden sich hüten, ihren Chef als großen Feldherrn zu präsentieren. Ob allerdings George Bushs politische Karriere wegen seiner Irak-Politik gefährdet ist, wie einige Journalisten glauben machen wollen, erscheint doch sehr weit hergeholt. Der konservative Kolumnist William Safire wagt Vergleiche mit Watergate, das Richard Nixon 1974 zum Rücktritt zwang. Ein Mark Hosenball verbreitete in der 'New Republic‘ gar, Irakgate könne für die Reagan- und Bush-Administration verheerender sein, als es die Iran- Kontra-Affäre war.

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