PORTRAIT: Musterschüler als Sozialistenchef
■ Laurent Fabius (45) soll heute die Nachfolge des zurückgetretenen Pierre Mauroy übernehmen
Berlin (taz) — Vor drei Jahren hat er Pierre Mauroy noch den Vortritt an die Spitze der Sozialistischen Partei gelassen und sich selbst mit dem Vorsitz der französischen Nationalversammlung zufriedengeben müssen. Heute hat der erst 45jährige Laurent Fabius alle Karten in der Hand, um den lang geplanten Sprung nach oben zu schaffen: Sein ehemaliger Widersacher Mauroy persönlich hat ihn als Nachfolger vorgeschlagen, kein ernsthafter Gegenkandidat ist mehr im Gespräch, und — wichtiger noch— Michel Rocard, der hinter den Kulissen der Sozialistischen Partei die Fäden in der Hand hält, hat sein Plazet gegeben. Staatspräsident Francois Mitterrand will sich zwar heraushalten, doch aus seiner Sympathie für den früheren Regierungschef Fabius hat er nie einen Hehl gemacht. Angesichts derart überzeugender Argumente ist die für heute angesetzte Wahl Fabius' im kleinen Parteiparlament nur noch eine Formsache.
An der Parteispitze wird mit dem ehrgeizigen Technokraten ein anderes Klima einziehen. Im Gegensatz zu seinem beliebten Vorgänger Mauroy war Fabius der Sozialismus nicht in die großbürgerliche Wiege gelegt. Kritiker behaupten sogar, er sei in die Sozialistische Partei eingetreten wie andere Abgänger der Eliteschule ENA in die Führungsetagen von Staatsverwaltung und Industrie. Zielstrebig schuf er sich dann im Kielwasser von Mitterrand seine eigene „Parteiströmung“, von der er hofft, daß sie ihn eines Tages noch höher bringen wird. Die Karriereschritte folgten in rasantem Tempo: 1978 wurde Fabius PS-Nationalsekretär und Pressechef. Mitterrand holte ihn 1981 als Beigeordneten Budgetminister in sein erstes Kabinett. Nach einem Zwischenspiel als Industrieminister wurde Fabius 1984, auf einem Tiefpunkt der Popularität der Regierung, Regierungschef. In jene Zeit fiel die Rainbow-Warrior-Affäre und ein umstrittener Staatsbesuch von Kriegsrechtsgeneral Jaruzelski in Frankreich.
Modernisierung, Einigung und die Abkehr von ideologischen Dogmen sind Fabius' Leitlinien in der Partei. Er will die Sozialisten zur „Hegemonialmacht“ der Linken machen und die Partei Reformkommunisten, Ökologen sowie sozialen Liberalen öffnen.
Auf den Musterschüler Fabius warten nun komplizierte Aufgaben: Er soll die angeschlagenen Sozialisten aus dem Popularitätstief und aus den inneren Flügelkämpfen herausholen. Die erste Gelegenheit dazu hat er im März bei den Regionalwahlen. Wichtiger sind den Sozialisten jedoch die Parlamentswahlen im kommenden Jahr, bei denen es zu vermeiden gilt, daß es anschließend wieder zu einer Kohabitation mit einer bürgerlichen Regierung kommt.
Doch egal, wie hoch die Hürden sind: Fabius' Chancen, eines Tages in die Fußstapfen von Mitterrand zu treten, waren noch nie so groß wie heute. Seinen Parteifreunden, vor allem dem auf Mitterrands Ablösung in drei Jahren hoffenden Rocard, versicherte Fabius jedoch, er werden 1995 noch nicht ins Rennen gehen. Dorothea Hahn
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