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Muss Europa deutsch werden? Antwort 7Kein kulturelles Feuerwerk

Kolumne
von Dirk Knipphals

Deutsche TV-Kultur: Die Öffentlich-Rechtlichen sind kein Vorbild für Europa.

D eutschland hat reiche kulturelle Traditionen - so wie viele andere Staaten ja auch. Deutschland hat zudem aber auch eine Menge Geld für Kultur. Gut neun Milliarden Euro bekommt das öffentlich-rechtliche Fernsehen jedes Jahr aus den Rundfunkgebühren.

Neun Milliarden! Selbst wenn man nur ein Prozent für Kultur reservierte, wären es noch 90 Millionen. Was könnte man damit für kulturelle Feuerwerke abbrennen! Nur leider kommt von diesem Geldhaufen viel zu wenig herum.

Gut festmachen kann man das an Klassikerverfilmungen. In meiner Videothek - die eine ganz gut bestückte, aber keineswegs eine besondere Videothek ist - kann ich mir ein Dutzend interessanter und sorgfältig gemachter Verfilmungen britischer Klassiker ausleihen. "Sinn und Sinnlichkeit" mit Colin Firth: Danach will man gleich noch mal Jane Austens Roman lesen. BBC tut also einiges für die britischen Klassiker.

Die Frage für 2012

Muss Europa deutsch werden? Diese Frage stellten wir anlässlich des Euro-Gerangels der vergangenen Monate acht handverlesenen Autoren der taz. Sie geben die Antwort auf die wichtigste Frage für das Jahr 2012. Guten Rutsch!

Und was tun die deutschen Sender? An deutschen Klassikerverfilmungen gibt es in meiner Videothek derzeit nur "Buddenbrooks" von Heinrich Breloer: aufgeblasenes Ausstattungsmöchtegernkino. Und "Effi Briest" von Fassbinder. Immerhin! Aber auch schon wieder fast 30 Jahre alt.

Im Grunde ist es ein Skandal, wie unser öffentlich-rechtliches Fernsehsystem da versagt. Warum gibt es keine neuere Verfilmung von Fontanes "Stechlin"? Melusine und Dubslav: HBO könnte daraus garantiert eine tolle Miniserie von 13 Folgen machen. Warum versucht man nicht, für eine ETA-Hoffmann-Geschichte eine Filmsprache zu entwickeln? Wo bleibt die Verfilmung des "Anton Reiser"?

Am Geld liegt es nicht. Aber daran, dass es für die Strukturen ausgegeben wird und nicht für kreative Prozesse. Und daran, dass man dem Publikum zu wenig zutraut. In Gedenkjahren wird ihm immer erzählt, wie wichtig die Klassiker sind. Aber ihre Geschichten zeitgemäß zu erzählen, darum kümmert sich keiner. Europa darf in dieser Hinsicht nicht deutscher werden!

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Literaturredakteur
Dirk Knipphals, Jahrgang 1963, studierte Literaturwissenschaft und Philosophie in Kiel und Hamburg. Seit 1991 Arbeit als Journalist, seit 1999 Literaturredakteur der taz. Autor des Sachbuchs "Kunst der Bruchlandung. Warum Lebenskrisen unverzichtbar sind" und des Romans "Der Wellenreiter" (beide Rowohlt.Berlin).

4 Kommentare

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  • A
    achwe

    Ich denke das Problem liegt dabei, das die Verantwortlichen kein Interesse haben Qualitätsvolles Fernsehen zu bieten. Aber auch der Nutzer ist gefragt, ich nehme mal als Beispiel gestern. In der ARD lief Silvesterstadl, im ZDF Willkommen2012, im HR eine aufgenommene billige Schlager und Witzesendung und 3sat spielte sie den gesamten Tag Popmusik, ich muss sagen, der beste und jugendlichste dieser aufgezählten Sender war 3sat. Bei 3 Sat hatte man die komplette Pop-Rock Geschichte der letzten 40 Jahre. Ich denke die Sende sollten versuchen mehr für die Jugend zu bieten, damit meine ich nicht das die ARD jetzt Mitten im Leben und Co. Übertragen sollte, sondern wieder die Aufgabe ernst nimmt den Kindern und Jugendlichen ein breites Allgemeinwissen für die Zukunft mit zu geben und aber auch ein Qualitätsvolles unterhaltungs Programm. Ich denke die ARD ist der Sender mit den besten Möglichkeiten für diese Aufgabe.

  • MB
    mr brown entertainment

    Na, ja, man könnte ja auch Petros Markaris verfilmen - Schauspieler gibt es dafür genug und der Author kann sowohl Deutsch als auch Drehbücher schreiben. Damit würden wahrscheinlich sogar die Einschaltquoten steigen, weil die Leute keinen Bock mehr auf skandinavischen und britischen Müll haben.

    Zudem gibt es eine ganze Latte sehr guter griechischer Autoren, die nie übersetzt werden, geschweige denn verfilmt.

  • C
    chrisfre

    Werter "handverlesener" Kommentator, mit Ihrer Videosammlung zählen Sie wie ich zu den "letzten"

    Mohikanern des einst sog. Bildungsbürgertums. Auch DASS Sie dieses Thema aufgreifen, zeigt dies, wurde

    doch schon im letzten Jahrhundert das TV von HME als

    "Nullmedium" gekennzeichnt. Parteinproporz (zuletzt

    causa Brender) und Quotendiktat bestimmen seinen

    Bildungsauftrag. Daraus folgt notwendig: KOCHEN, SPORT und TALKEN als Hipp-Hipp-Hurrah-Mehrheits- brei. Es gibt dennoch einige Nischen. Allerdings nicht die Option, den GEZ-Zwangsgebühren zu entkommen und 'kulturelles Feuerwerk', wie immer dies auch von Ihnen verstanden wird (ich teile Ihren Kulturbegriff angesichts neuer Medien nicht) ist nicht der vorrangige Auftrag der Öffentlich-Rechtlichen, die schon lange 'effiezent' wirtschaf- ten. Betrachten Sie das Ganze SYSTEMISCH-KRITISCH!

  • A
    Ali

    Großartige Beobachtung!