Muss Europa deutsch werden? Antwort 3: Aus Fehlern lernen, jawoll!
Wer früher nicht genesen wollte, kriegt noch eine Chance.
G enau genommen ist Europa bereits ziemlich deutsch: Da gibt es eine Schnullerkettenverordnung, ein Seilbahngesetz sowie Schutzhelmpflicht für Seiltänzer - kurz, es wird reglementiert, dass es dem bürokratiefreudigen Michel ein Reichsparteitag sein sollte.
Wären da nicht die vielen Regularien nichtdeutscher Provenienz, die sich mit den einheitlichen Abständen der Raviolizacken oder der Anzahl der Singvögel in einem vorschriftsmäßigen Lerchenkompott befassen. Was da aus Brüssel zu uns über den Rhein schwappt, lässt sich diesseits oft keinem Menschen vermitteln.
Andererseits gibt es allzu viele deutsche Normen (Gartenzwerggesetz! Nacktbackverbot! Reinheitsgebot!), die noch nicht europaweit durchgesetzt wurden. Dass dies möglichst bald geschehen muss, ist klar. Denn dasjenige Land in der EU, das über die höchste Bevölkerungszahl, die beste Bundesliga und die meisten Hundekackeaufsaugmobile verfügt, sollte in jeder Beziehung uneingeschränkt das Sagen haben - so funktioniert nun mal Demokratie.
Muss Europa deutsch werden? Diese Frage stellten wir anlässlich des Euro-Gerangels der vergangenen Monate acht handverlesenen Autoren der taz. Sie geben die Antwort auf die wichtigste Frage für das Jahr 2012. Guten Rutsch!
Ebenfalls europaweit bindend müssen deutsches Recht und Sitte werden. So kann es beispielsweise nicht angehen, dass der deutsche Autofahrer bloß ins benachbarte Dänemark zu fahren braucht und schon wird auf einmal die fahrlässige Tötung von Fahrradfahrern negativ sanktioniert.
Der entgeisterte Vorwurf der betroffenen Automobilisten, Europa sei doch wirklich ein Tollhaus, in dem die eine Hand nicht wisse, was die andere tut, erscheint hier mehr als gerechtfertigt.
Zwar gibt es nicht wenige Krämerseelen, vor allem aus dem Ausland, die verbiestert darauf hinweisen, Europa sei vor siebzig Jahren schließlich schon einmal deutsch gewesen. Dies wiederum habe den Kontinent damals kaum vorangebracht. Doch gerade die Möglichkeit, aus Fehlern zu lernen, um die eigene Vorgehensweise zu modifizieren, ist es, die einen zweiten Versuch so vielversprechend macht.
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