Muslimische Seelsorge in Hessen: Für Seelen in Not
Bisher war die deutsche Seelsorge fest in christlicher Hand. In Hessen aber soll sich das nun ändern und eine muslimische Seelsorge eingerichtet werden.
Niederschlagende Situationen gibt es in jedem Leben, unabhängig von der Konfession. Auch Muslime geraten in Not und brauchen Beistand. Nicht nur von der Familie oder von Freunden, sondern auch von professionellen Seelsorgern. Für Muslime im hessischen Wiesbaden, die im Krankenhaus liegen, hinter Gefängnismauern grübeln oder pflegebedürftig sind, wird im September die erste staatlich teilfinanzierte muslimische Seelsorge in Deutschland eingerichtet. Für das Projekt "Muse" (muslimische Seelsorge in Wiesbaden) sollen 33.000 Euro zur Verfügung gestellt werden, zusätzlich sollen Mittel aus dem Europäischen Integrationsfonds beantragt werden. Die Betreuung der Gläubigen sollen ehrenamtliche Helfer übernehmen, die selbst praktizierende Gläubige sind.
Christliche Seelsorge ist in Deutschland eine Selbstverständlichkeit. Es gibt auch Hilfe für Minderheiten, etwa eine katholische Zigeunerseelsorge in Bonn oder eine russische in Berlin. Aber warum gibt es diese bisher nicht für die zweitgrößte Religionsgemeinschaft hierzulande? Weil der Islam nach dem europäischen Verständnis eine Seelsorge nicht kennt. Ein Imam, also ein muslimischer Geistlicher, ist ein Vorbeter, aber keine psychologische Instanz. Nach islamischer Auffassung darf es keinen Vermittler zwischen Gott und dem Einzelnen geben, die Gläubigen sind für ihr Heil alleine zuständig. Deswegen gibt es bisher wenige Ansprechpartner für Gläubige in öffentlichen Einrichtungen, die nicht raumübergreifend arbeiten.
Weil aber die Seelennot der Muslime in der Diaspora zunimmt, sollen die etwa 26.000 Muslime in der hessischen Landeshauptstadt bald eine religiöse Betreuung erhalten. Die geplante Einrichtung ist also nicht nur eine staatlich teilfinanzierte deutsche Premiere, sondern auch eine muslimische.
Deswegen hat Karl Heinz Maierl, Fraktionsvorsitzender der Wiesbadener Bürgerliste, auch Bedenken. Denn Steuergelder will er für die Finanzierung der "Muse" nicht zur Verfügung stellen. Prinzipiell begrüße er das Projekt, aber dieses soll dann von der jeweiligen Glaubensgemeinschaft finanziert werden. Außerdem gebe es sechs christliche Seelsorger in Wiesbaden, die auch für den Umgang mit Andersgläubigen geschult seien. "Hochqualifizierte Theologen", betont Maierl.
Während in Deutschland also noch Diskussionsbedarf besteht, ist dieser Prozess in einem Nachbarland schon beendet. In Österreich gibt es seit Jahren muslimische Seelsorger in öffentlichen Einrichtungen, die sich der Nöte der Menschen annehmen, allein in den Justizanstalten arbeiten etwa vierzig Berufszuhörer. Wegen der guten Zusammenarbeit sucht jetzt auch das Bundesheer muslimische Seelsorger. "Denn unsere muslimischen Soldaten brauchen genau wie die christlichen auch eine Seelsorge", begründet Ute Axmann vom Verteidigungsministerium in Wien.
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