piwik no script img

Muslimisch Demokratische Union"Mal links, mal rechts, mal Mitte"

Nicht in Berlin, sondern in Osnabrück hat sich Deutschlands erste muslimische Partei gegründet. Am Sonntag tritt die Muslimisch Demokratische Union (MDU) dort bei den Wahlen an. Eine Begegnung mit Kreisverbandschef Erhat Toka.

Will eine "ehrliche Integrationspolitik": Erhat Toka. Bild: Detlef Heese

OSNABRÜCK taz | Kampfsport macht Erhat Toka seit seiner Jugend. "Judo, Boxen, Kung-Fu, Ringen, Stockkampf", zählt er auf, was er damals alles ausprobiert hat. Auch heute spielt der Sport noch eine große Rolle in seinem Leben. Der 38-Jährige betreibt in Osnabrück eine eigene Kampfkunstschule mit angrenzendem Laden.

Seit vier Monaten kämpft er aber noch um etwas anderes: um Wählerstimmen. Toka ist Kreisverbandsvorsitzender der Muslimisch Demokratischen Union (MDU), die sich im vergangenen Oktober in Osnabrück gegründet hat. Am Sonntag tritt seine Partei bei den niedersächsischen Lokalwahlen in Osnabrück an. Toka selbst kandidiert für einen Sitz im Stadtrat.

Es ist die erste Wahlteilnahme für die noch junge Partei, die bisher gerade mal 14 Mitglieder in ihrem Osnabrücker Kreisverband hat. Mit Infoständen und in Moscheen hat die MDU für sich geworben. Und mit Plakaten. Auf dem von Erhat Toka steht: "Ich gehöre zu Osnabrück und möchte mitgestalten." Ein Satz, der längst nicht überall als selbstverständlich gilt.

Die MDU

hat sich als muslimisch demokratische Union vor einem Jahr in Osnabrück gegründet.

Die rechtliche Gleichstellung des Islam mit den christlichen Kirchen ist eines ihrer Ziele. Dazu gehört, den Religionsunterricht für Muslime an deutschen Schulen zu verankern.

Sozialkürzungen und die Rente mit 65 sind weitere Themen im Parteiprogramm.

Frauen sind bislang in keinem Parteiamt vertreten.

Denn dass ein Mensch mit türkischen Vorfahren sich als Deutscher sieht, scheint vielen fremd zu sein. Doch Erhat Toka tut das. Er spricht von christlichen und muslimischen Deutschen. Und es ärgert ihn, dass er oft gefragt wird, aus welchem Land er eigentlich komme. Schließlich ist er in Deutschland geboren, in Lengerich in Nordrhein-Westfalen. Seit zwei Jahren lebt er mit seiner Frau und seinen zwei Kindern in Osnabrück.

Integrationspolitik, sagt Erhat Toka, "wird immer noch über unsere Köpfe hinweg gemacht". Das will er ändern. Das Thema Integration ist deshalb das wichtigste für ihn und seine Partei. Natürlich habe sie auch Wirtschafts- und Sozialthemen in ihrem Programm. Zeitarbeitsfirmen, von denen es in Osnabrück besonders viele gibt, sieht die MDU kritisch.

Das liegt nicht zuletzt an dem in Insolvenz gegangenen Autobauer Karmann. Das Werk wurde inzwischen von VW übernommen, ehemalige Mitarbeiter wurden wieder eingestellt. Das aber nicht in einer Festanstellung, sondern eben über Zeitarbeitsfirmen, von denen es in Osnabrück besonders viele gibt.

Auch die Milliarden, mit denen der Staat die Banken unterstützt hat, machen Erhat Toka wütend. "Aber wenn es darum geht, Hartz-IV-Empfängern mehr zu geben, wird wochenlang drüber diskutiert", kritisiert er.

Toka rechnet sich am Sonntag durchaus Chancen für seine Partei aus. "Wer an einer ehrlichen Integrationspolitik interessiert ist, sollte uns wenigstens eine Stimme geben", erklärt er und meint damit auch Nicht-Muslime. Auch die, findet er, könnten der MDU eine ihrer drei Stimmen geben.

Zur Integration gehört für Erhat Toka auch, dass das Kopftuch nicht als Symbol der Unterdrückung von Frauen gesehen wird. "Überall heißt es: Die Muslime unterdrücken ihre Frauen", ärgert er sich. Dabei würden diejenigen, die das behaupten, den Frauen mit Kopftuch mehr schaden als andere. Denn die Folge sei, dass sie "beleidigt, diskriminiert und ausgegrenzt" würden. Einen Arbeitsplatz zu finden, sei für diese Frauen schwer. "Ich kenne haufenweise solcher Geschichten", sagt Erhat Toka.

Seine Haltung in der Kopftuchdebatte lautet deshalb: "Jeder soll tun, was er will." Ein Verbot hält er nicht für sinnvoll. Eine Muslima zum Kopftuchtragen zu zwingen, aber auch nicht. Das widerspreche auch den Grundsätzen des Islam, betont Toka. "Ein Mann sündigt, wenn er seine Frau dazu zwingt."

Dass der Zwang die Regel sei, dem widerspricht der MDUler vehement. "Es ist nicht in Ordnung, die Muslime wegen einer Minderheit unter Generalverdacht zu stellen." Ganz klar grenzt er sich deswegen von Islamkritikerin Necla Kelek ab, die er für eine "Hasspredigerin" hält und nicht für eine Ansprechpartnerin zum Thema Islam.

Politisch einordnen kann Toka seine Partei nicht. "Wir sind mal links, mal rechts und mal Mitte", sagt er. Ist es denn Zufall, dass der Name stark an die CDU erinnert? Toka zuckt dazu nur mit den Schultern. Bei der Gründung der MDU sei er noch nicht dabei gewesen, sagt dann aber: "Warum nicht?" Die Christdemokraten hätten die Gründung seiner Partei jedenfalls begrüßt.

Die Osnabrücker Grünen stehen der muslimischen Partei kritischer gegenüber. "Wir sind für die Trennung von Kirche und Staat", erklärt Ratsmitglied Volker Bajus, weshalb seine Partei die religiös motivierte MDU eher kritisch sieht. Allerdings findet auch er, dass Migranten in der Politik deutlich "unterrepräsentiert" seien. "Es ist Zeit, dass sich das ändert", so Bajus, "aber nicht mit einer religiösen Partei als Vehikel."

Für die MDU ist die Teilnahme an den Lokalwahlen nur ein Probelauf. Ihr eigentliches Ziel sind die niedersächsischen Landtagswahlen 2013. Und vielleicht auch die Bundestagswahlen im selben Jahr. Dass es irgendwann einen Bundeskanzler oder eine Bundeskanzlerin mit türkischen Wurzeln gibt, hält Erhat Toka für wahrscheinlich. "Wer hätte schließlich vor zehn Jahren gesagt, dass ein dunkelhäutiger Mensch Präsident der USA wird?", erklärt er.

Sich selbst sieht Toka allerdings nicht als Kanzler. "Schön" wäre es zwar schon. Doch lieber möchte er Lokalpolitiker werden. Dabei beruft er sich auf Gandhi: "Wenn man die Welt verändern will, muss man bei sich selbst anfangen." Und dann, so Toka, gehe das mit der Familie, dem eigenen Viertel und schließlich mit der Stadt weiter. "Und damit habe ich dann genug zu tun", sagt Erhat Toka und lächelt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

15 Kommentare

 / 
  • A
    AliHasan

    Seit 2009 gibt es in Baden-wurttemberg und in ganz Deutschland die IDU(Islamische Demokratische Union), also ist die MDU nicht die erste islamische Partei. So viel ich weiss, hat die IDU wegen namensähnlichkeit die MDU verklagt. was die mdu aber nicht wahr haben will.

  • A
    alihasan

    Es stimmt nicht, dass es die erste islamische Partei ist. Seit 2009 gibt es in Baden-Württemberg und bundesweit die IDU (Islamisch Demokratische Union), die sich schon jahrelang vorbereitet. Die MDU durfte den NAmen MDU gar nicht benutzen# weil es einen ahnlichen schon gab. Ich habe gehört, dass es einen Rechtsstreit zwischen beiden um den Namen gibt, aber die MDU ist zu stolz er zuzugeben.

  • D
    derKritiker

    Religiöse Parteien, egal ob CDU/CSU/PBC/CM oder eine MDU gehören verboten, bzw. haben in der Politik nix zu suchen.

    Menschen die an unsichtbare Wesen glauben und in mythologischen Geschichten verhaftet sind, sind nicht wirklich zurechnungsfähig oder vernunftgeleitet und dürfen keine Politik für Millionen von Menschen machen.

    ABGELEHNT !!!

     

    Politik, dürfte eigentlich nur von Philosophen, Realisten und Humanisten gemacht werden.

    Menschen die freiheitlich denken, keine Lobbyhuren sind und alle menschlichen Sinne beisammen haben.

  • HM
    Hans Müller

    @Hatem

    Wenn die Gründung einer solcher Partei eine Aktion gegen den Islam ist, dann war die Gründung der Grünen eine Aktion gegen den Umweltschutz.

     

    Und die Grünen bangen um ihre Wählerschaft. Klar, dass sie gegen eine solche Partei sind.

  • N
    Nolo

    Man kann jetzt nicht direkt behaupten, dass die Grünen die CDU als ihre Lieblingspartnerin sehen. Ich finde es nur fair: Die CDU wird von Renate Künast (zurecht) als rückwärtsgewandte Partei beschrieben, ich denke vor allem weil sie sich einer Religion besonders verpflichtet fühlt. Warum sollte man eine andere Partei, die sich einer anderen Religion verpflichtet fühlt, mit anderen Augen sehen?

  • H
    Hatem

    Die Gründung einer solchen Partei ist eine Aktion gegen Integration.

  • G
    Grüne

    Interessant finde ich die Reaktion der Grünen:

     

     

    "Die Osnabrücker Grünen stehen der muslimischen Partei kritischer gegenüber. 'Wir sind für die Trennung von Kirche und Staat', erklärt Ratsmitglied Volker Bajus, weshalb seine Partei die religiös motivierte MDU eher kritisch sieht. " Ob die Grünen die gleiche Skepsis auch der CDU-Arbeit entgegen bringen ;-)? Auch wenn man in der CDU heute stellenweise nicht mehr so richtig viel mit dem "C" anzufangen weiß (man denken nur die Wahlplakate in Mecklenburg-Vorpommern "C wie Zukunft" ). Trotzdem, auch diese Partei trägt den Verweis auf eine Religion in ihrem Parteinamen

  • B
    Boumedienne

    Endlich...!

  • IK
    Ihsan Kafi

    Wieso werden eigentlich ungeprüft solche Berichte reingestellt? Es stimmt einfach nicht, dass die MDU die erste muslimische Partei in Deutschland sein soll.

     

    Bereits zu den Bundestagswahlen 2002 gab es eine IPD - Islamische Partei Deutschland, die auf den Listen zu finden war.

     

    Ein bisschen besser recherchieren und nicht jeden Unsinn glauben, der da einem aufgetischt wird...

  • HM
    Hans Müller

    @Hatem

    Wenn die Gründung einer solcher Partei eine Aktion gegen den Islam ist, dann war die Gründung der Grünen eine Aktion gegen den Umweltschutz.

     

    Und die Grünen bangen um ihre Wählerschaft. Klar, dass sie gegen eine solche Partei sind.

  • N
    Nolo

    Man kann jetzt nicht direkt behaupten, dass die Grünen die CDU als ihre Lieblingspartnerin sehen. Ich finde es nur fair: Die CDU wird von Renate Künast (zurecht) als rückwärtsgewandte Partei beschrieben, ich denke vor allem weil sie sich einer Religion besonders verpflichtet fühlt. Warum sollte man eine andere Partei, die sich einer anderen Religion verpflichtet fühlt, mit anderen Augen sehen?

  • H
    Hatem

    Die Gründung einer solchen Partei ist eine Aktion gegen Integration.

  • G
    Grüne

    Interessant finde ich die Reaktion der Grünen:

     

     

    "Die Osnabrücker Grünen stehen der muslimischen Partei kritischer gegenüber. 'Wir sind für die Trennung von Kirche und Staat', erklärt Ratsmitglied Volker Bajus, weshalb seine Partei die religiös motivierte MDU eher kritisch sieht. " Ob die Grünen die gleiche Skepsis auch der CDU-Arbeit entgegen bringen ;-)? Auch wenn man in der CDU heute stellenweise nicht mehr so richtig viel mit dem "C" anzufangen weiß (man denken nur die Wahlplakate in Mecklenburg-Vorpommern "C wie Zukunft" ). Trotzdem, auch diese Partei trägt den Verweis auf eine Religion in ihrem Parteinamen

  • B
    Boumedienne

    Endlich...!

  • IK
    Ihsan Kafi

    Wieso werden eigentlich ungeprüft solche Berichte reingestellt? Es stimmt einfach nicht, dass die MDU die erste muslimische Partei in Deutschland sein soll.

     

    Bereits zu den Bundestagswahlen 2002 gab es eine IPD - Islamische Partei Deutschland, die auf den Listen zu finden war.

     

    Ein bisschen besser recherchieren und nicht jeden Unsinn glauben, der da einem aufgetischt wird...