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MuslimeGrusel-Islam im Parlament

Der Integrationsausschuss des Parlaments lud zur Anhörung über islamische Paralleljustiz.

Der Islam-Grusel zündete in Berlins Parlament nicht so richtig. Bild: AP

Blutrache, Stammesfehden, archaische Gesetze, die in muslimischen Parallelgesellschaften zur Anwendung kommen: Die Themen, mit denen sich der Integrationsausschuss des Abgeordnetenhauses am Donnerstag beschäftigte, boten alles, womit sich der Deutsche gern gruselt. Der Anlass: das 2011 erschienene Buch „Richter ohne Gesetz. Islamische Paralleljustiz gefährdet unseren Rechtsstaat“ des früheren ARD-Journalisten Joachim Wagner. Es gehe darum zu erfahren, ob dieses Problem auch in Berlin virulent sei und welche Konsequenzen geboten seien, erklärte der integrationspolitische Sprecher der CDU, Burkard Dregger, das Anliegen von CDU und SPD. Deren Fraktionen hatten die Anhörung beantragt.

Drei Experten waren neben dem Autor geladen. Dass es die von Wagner beschriebenen Streitschlichter und Friedensrichter tatsächlich gibt, die in manchen Einwanderermilieus anstelle der staatlichen Justiz als Konfliktlöser angerufen werden, bestritt keiner von ihnen. Auch nicht, dass diese teils selbst Straftaten begehen, wenn sie Bereiche der Zivil- und Familienstreitigkeiten verlassen und die Grenze zum Strafrecht überschreiten oder Konfliktparteien durch Drohungen zur Akzeptanz ihrer Urteile zwängen.

Nicht ethnisieren!

Wagners Zuspitzungen teilten sie dagegen nicht: „Eine islamische Paralleljustiz kann ich in Berlin nicht entdecken“, so Carl Chung vom Mobilen Beratungsteam Ostkreuz für Demokratieentwicklung, Menschenrechte und Integration. Überlieferte Rechtssysteme gebe es auch bei Roma oder Albanern. Ebenso gebe es unter deutschen Muslimen eine „Vielfalt von Auffassungen“ über die Rolle von Koran und Scharia: „Viele Muslime kennen solche Paralleljustiz gar nicht“, so Chung. Er warnte deshalb davor, diese zu ethnisieren oder mit einer Religion zu verbinden. Und auch, wenn „die Ernsthaftigkeit des Problems nicht zu bestreiten sei“ – etwa, wenn schwere Straftaten nicht vor staatliche Gerichte gelangten – fehle ihm bei Wagner „die Basis für die Aussage, dieses Phänomen gefährde unser Rechtssystem“.

Auch die einladenden Fraktionen mochten sich auf Wagners Tenor nicht recht einlassen. 83 Prozent der Muslime in Deutschland lehnten laut Bundesinnenministerium das islamische Rechtssystem der Scharia klar ab, hielt Ülker Radziwill (SPD) dem Autor entgegen – nur 4,9 Prozent befürworteten es.

Mit Zahlen kann Wagner eher nicht dienen. Beispiele für Streitschlichtungsverfahren am Rande der Legalität fand er auch in Berlin, quantifizieren ließen sie sich aber nicht. Für die Grüne Susanna Kahlefeld gerät sein Buch damit gar in den Ruch einer „Verschwörungstheorie“ nach dem Muster „Man weiß nicht genau, was da passiert, aber es ist schrecklich.“ Ihre Parteikollegin Canan Bayram regte an, darüber nachzudenken, woher das mangelnde Vertrauen in die deutsche Justiz rühre, das sich in Community-eigenen Streitschlichtern abbilde: „Wir brauchen mehr Richter- und PolizistInnen mit interkultureller Kompetenz.“

Streitschlichtung war am Ende der Anhörung dennoch nicht nötig. Wagner mache in seinem Buch einige gute Vorschläge zum Umgang mit dem Phänomen, sagte Chung. Und Wagner räumte ein, Paralleljustiz werde „sicher nicht von der Mehrheit der Muslime“ praktiziert. „Den Satz hätte ich gerne in Ihrem Buch gelesen“, so Chung.

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10 Kommentare

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    karin bryant

    So weit ich mich erinnere leben wir alle,auch die Muslime in der BRD und hier gelten deutsche Gesetze nicht die aus dem Nahen Osten oder irgendwelche Stammessitten.

    Das mag fuer einige Leute nicht verstaendlich sein,aendert aber nichts an der Tatsache.

    Wem das nicht gefaellt....das Tor steht weit offen.

  • C
    chrisfre

    Auf der Ebene der Familienhilfe haben sich die Kiezmütter als Vermittlerinnen bewährt. Allerdings geht es hier (auch) um das VORfeld von Straftaten und deren Prävention im Kontext mit Gewalt gegen Frauen und Mädchen auf der Basis der hier geltenden Gesetze.

    Nicht wie in der muslimischen meist MÄNNLICHEN Klientel um Selbstjustiz und ggf. die Billigung von oder gar Aufforderung zu Straftaten. VOR einem Aufschrei in den Medien müsste allerdings genauer recherchiert werden. Auch dazu, welche wie ausgebildete Imame in Berlin tätig sind. In JEDEM Fall ist diese Paralleljustiz ein beängstigendes und nicht hinnehmbares Phänomen!

  • T
    Troll?

    @Ahmet,

     

    beobachte Sie schon länger und frage mich: Sind Sie ein Forentroll oder einfach nur ein wenig schlicht?

  • D
    D.J.

    @Ernst Sommer:

     

    "@ DJ: Es gibt keinen "Papst" im Islam, d.h. niemanden, der allgemeinverbindlich sagen würde, was "islamisches Recht" überhaupt sein könnte."

     

    Seltsames Argument. Dass es vier verschiedene, bereits im Frühmittelalter entstandene, sunnitische Rechtsschulen gibt (die in ihren Interpretationen von Koran und Sunnah in den überwiegenden Fällen auch nicht weit voneinander abweichen), vebietet uns doch nicht, vom Islamischen Recht zu sprechen. So sehen es die Muslime übrigens selbst auch. Die Publikationen zum Thema heißen übrigens auch "Islamisches Recht" - wie auch sonst. Die eigenständige Auslegung des Koran gilt übrigens im Mehrheitsislam als üble Ketzerei. Autorität ist der so genannte "Konsens der Gelehrten".

  • D
    Das Übliche

    Es gibt keine islamische Paralleljustiz und wir müssen uns fragen warum immer mehr Moslems davon Gebrauch machen(wegen uns fiesen Deutschen). Logisch. Die Lösung heißt in Deutschland natürlich mehr türkische und arabische Richter und Polizisten. Klar, auch logisch. Schöner Artikel, wie bei diesem Thema in der taz eben zu erwarten. Ernstnehmen kann man es natürlich nicht. Vertuschen, Schönreden, Leugnen und am Ende Fordern-das Übliche eben.

  • AD
    Ahmet der Doische

    Also ich gestehe freimütig, dass ich islamische Selbstjustiz ausübe.

    Ich brauche dazu weder irgendeine Fatwa, noch ein einäugiges arisches Justizsystem. Wenn ich einem Neonazi begegne, haue ich ihm immer selbständig in seine {Pofalla}, statt irgendwen anders damit zu belästigen.

  • NN
    Nichts Neues

    Wer die Realität beschreiben würde, der wäre genauso dran wie Sarrazin. Job weg, Job der Frau weg, von Antifa-Sturmtrupps verfolgt und zum Untermenschen abgestempelt. Deshalb dieses peinliche Rumeiern. Natürlich weiß man auch in der taz, daß der Islam die Ursache der Probleme ist und "Integration" nur ein Witz ist. Es ist so als würde 1987 eine Kommision im Zentralrat der DDR untersuchen ob es eventuell Probleme mit dem real existierendem Sozialismus gibt. Das Ganze unter dem wachen Auge der Einheitsmedien und der Stasi. Da käme dann in etwa so etwas raus wie hier.

  • ES
    Ernst Sommer

    @ DJ: Es gibt keinen "Papst" im Islam, d.h. niemanden, der allgemeinverbindlich sagen würde, was "islamisches Recht" überhaupt sein könnte. Die Vielfalt der islamischen Kulturen wird in Europa zu wenig wahrgenommen. Die Vereinheitlichung aus Angst und Unwissen ist in etwa so hilfreich, wie es eine Gleichsetzung aller Christen dieser Welt mit den fundamentalistischen Piusbrüdern wäre. Deshalb ist es genau richtig, eine selbst ernannte "islamische" Paralleljustiz NICHT mit der Religion als solcher in Verbindung zu bringen

  • D
    D.J.

    "Er warnte deshalb davor, diese zu ethnisieren oder mit einer Religion zu verbinden."

     

    Aha, islamisches Recht hat nichts mit dem Islam zu tun. Die Absonderungen der Beschwichtiger (die Grünen natürlich wie immer ganz vorn dabei) werden immer dreister.

    Links verrät die Aufklärung. Was für ein widerliches Spiel.

  • K
    kopfschüttel

    ,,Ihre Parteikollegin Canan Bayram regte an, darüber nachzudenken, woher das mangelnde Vertrauen in die deutsche Justiz rühre, das sich in Community-eigenen Streitschlichtern abbilde: „Wir brauchen mehr Richter- und PolizistInnen mit interkultureller Kompetenz.“

     

    Hallo ,wo leben wir denn.Ich werde eine neue Gemeinschft gründen,dann brauch ich deutsche Gesetze nicht mehr zu achten.Eigene Richter werde ich auch stellen.

    Wer hier leben will hat sich an geltendes Recht zu halten.