Musikkonferenz "All2gethernow": Wer soll das bezahlen?
Mehr Zusammenarbeit, mehr Solidarität, mehr Streik: Auf der Musikkonferenz "All2gethernow" in Berlin beriet die Branche über den Zustand und die Zukunft der Musikindustrie.
Musik ist Luxus. Oder kann es sich noch jemand leisten, gute Musik zu machen, wenn er dafür kein Geld bekommt, weil erwartet wird, die Musik für lau ins Netz zu stellen? Gleichzeitig existiert Musik im Überfluss: Alle, die einen Rechner und entsprechende Programme haben, können Songs komponieren. Es ist dieser Widerspruch, der immer wieder auftauchte in den Tagen der Musikkonferenz "All2gethernow", die zum zweiten Mal nach 2009 in Berlin stattfand, diesmal etwas überdimensioniert in der Kulturbrauerei in Prenzlauer Berg und im Flughafengebäude Tempelhof.
Vier Tage Diskussionsrunden, Panels, Vorträge und Workshops, die alle auf die eine Frage abzielten: Wer soll das bezahlen? Und aus dieser ergaben sich weitere, noch schwieriger zu beantwortende Fragen: Muss für Musik immer bezahlt werden? Kann sie nicht als reine Kunst und damit gegenwertfrei existieren? Lösungen für die Probleme der Lizenzen, freien Downloads und Urheberrechte gab es während der vier Tage nicht, aber viele angeregte Diskussionen. "Musikdownload ohne dafür zu Bezahlen ist eine Arschlochaktion", polterte Sascha Lobo und ließ seinen Mitdiskutanten, der sich nicht darauf festlegen wollte, ob er freie Downloads jetzt gut oder schlecht findet, kaum zu Wort kommen. "Take the money and run", empfahl Roland Hackl von Steadyworks bei einem Panel über Musik für Computerspiele. Nur was machen, wenn es nichts zu nehmen gibt?
Tipps von Martin Atkins
Die Tipps für Nachwuchsbands von Martin Atkins, Drummer der Sex-Pistols-Nachfolgeband Public Image Ltd., waren da schon handfester: "Dont be an idiot", sagte er und meinte damit zum Beispiel, dass Bands auf US-Tour erst gar nicht erst versuchen sollten, in New York aufzutreten. Atkins Strategie ist die der Arbeitsteilung. Bands sollten sich Konzertplakate, Alben und Touren teilen.
Mehr Solidarität wünscht sich auch Tim Renner von Motor FM, der über die Idee eines Streiks der Kreativwirtschaft in Berlin nachdenkt. "Einen Tag lang geschlossene Clubs, leere Zeitungsseiten, keine Ausstellungen und keine Diskussionsrunden - da würden schon einige Leute erschrecken", sagt er. Er will, dass Künstler für ihre Arbeit angemessen bezahlt werden: "Wer das nur als Hobby macht, kann das ja gerne tun, aber das heißt ja nicht, dass man alle dazu zwingen muss, es ebenso zu halten." Von einem Streik erhofft er sich eine stärkere Position der Kreativarbeiter gegenüber Politik und Sponsoren, obwohl die Situation in Berlin eigentlich recht gut sei: "Hier hat man den Wert der Kreativwirtschaft zum Glück erkannt. Im Senat fühlen sich so viele zuständig, die reißen sich fast darum, mit uns zu arbeiten."
Verloren auf der Popkomm
Die ersten zwei Tage der "All2gethernow" in der Kulturbrauerei hatten tatsächlich noch den Flair einer engagierten Konferenz. Der Umzug am dritten Tag in die Hallen des Flughafens Tempelhof, wo zeitgleich die Popkomm stattfand, hat ihr nicht gut getan. Zu groß das Gelände, zu steif das Ambiente, zu kommerziell der Rahmen der Popkomm. Die Konferenz verschwand in zwei Kantinen, die jeweils am Ende der beiden Flügel des Gebäudes liegen.
Zum Panel über Musikdistribution in Afrika zum Beispiel trudelte dann auch nur ein knappes Dutzend Leute ein. Dass in Afrika Mobilfunkfirmen die größten Sponsoren für Musiker sind, Musik am liebsten per SMS verteilt wird, und gleichzeitig das Radio noch das wichtigste Marketinginstrument ist, lernte man dort zwar. Aber irgendwie wurde nicht so ganz deutlich, dass sich deutsche oder europäische Marktregeln nur schwer auf den afrikanischen Kontinent übertragen lassen und was die Besonderheiten des afrikanischen Musikmarktes denn nun sind.
Und wenn dann Robert Wawero, Producer von penyafrica.com, der sicherlich viel Interessantes eben darüber zu erzählen gehabt hätte, noch sagt, "Africa is so much more than you think, please take a closer look", dann kam schnell das Gefühl auf, diese Veranstaltung wird weder ihm und seiner Arbeit gerecht, noch hat sie etwas damit zu tun, eine Antwort auf die Frage, wer das bezahlen soll, zu finden. Vielleicht gelingt das ja besser in einem kleineren Rahmen im kommenden Jahr.
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