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Musikalische Augenaufschläge

■ Sommertheater auf Kampnagel: Das Programm der zweiten Woche

Auf in die zweite Runde, diesmal allerdings mit Jacke für alle, die nicht nur dem Kunstvergnügen, sondern auch dem abendlichen Schwätzchen unterm Zeltdach nicht abgeneigt sind. Denn in den Nachtstunden kriechen die Fröstelgrade heran. Und gerade wenn man erhitzt von erregenden Theatergenüssen in die freie Wildbahn tritt, empfiehlt der gute Onkel, eine Überbekleidung nicht übermütig von sich zu weisen.

Selbst bei der gestrengen Meredith Monk, mit der das Programm am Freitag weitergeht, hat man ja schon ausgeflippte Fans gesehen, die sich bestimmt erkälten werden, wenn sie danach ihren Körperschweiß nicht in wärmende Garderobe tunken. Und da die performende Mönchin diesmal auch noch Volcano Songs darbietet, scheint gefährliche Transpiration angesagt.

Allerdings – es kann nicht verschwiegen werden – geht es in diesem Stück tatsächlich weniger um ein Förmchenspiel mit Lava als um die Geschichte weiblicher Gottheiten und schamanistischer Mythen. Die amerikanische Performerin organisiert in diesem Soloprojekt Videobilder, Körper und Stimme zu einer ständigen Metamorphose von Frauenbildern und -altern (11.-13. August, 20 Uhr, k2).

Den musikalischen Augenaufschlag von Monks Performance nimmt die tschechische Sängerin/Geigerin Iva Bittová in ihrem anschließenden Konzert auf. Bittová, die bereits mit amerikanischen Art-Noise-Musikern wie Fred Frith oder David Moss zusammengearbeitet hat, streicht par-allel über Stimmbänder und Geigensaiten und entwickelt dabei aus der Tradition slowakischer Zigeunermusik einen musikalischen Waldspaziergang zu anderen Volksmusiken und zum Jazz (11./12. August, 23 Uhr, Foyer 2).

Die brasilianische Tanzcompa-gnie Endança, die dieses Jahr zum dritten Mal Gast des Sommertheaters ist, hat sich für ihre neue Produktion mit dem S.O.A.P.-Choreographen Rui Horta zusammengetan. Zu Bachs Matthäus-Passion inszeniert Horta Gedanken zu der Notwendigkeit, da zu sein, wo man ist (so der deutsche Titel der Produktion). Ergänzt wird diese Arbeit um zwei weitere Choreographien der Gruppe: Factual (Sa/So, 21.30 Uhr, k1) und Poéticas de tanto amor (Di/Mi, 19.30 Uhr, k1). Wegen der großen Nachfrage ist am 14. 8., 20 Uhr, eine Zusatzvorstellung der Stücke Notwendigkeit ... und Factual angesetzt .

Auch Wim Vandekeybus ist ein alter und gern gesehener Gast auf Kampnagel. Diesmal bringt der Choreograph dynamisch-poetischer Bilder ein Thema mit, was Besuchern seines vorletzten Gastspiels Immer dasselbe gelogen bekannt vorkommen wird: Der Hamburger Künstler Carlo Verano steht auch im Mittelpunkt von Alle Größen decken sich zu. Im Gegensatz zu der berühmten Choreographie von 1991 versucht sich Vandekeybus bei seinem zweiten Annäherungsversuch an seinen inzwischen verstorbenen väterlichen Freund als Regisseur. Ein spannender Spartenwechsel, der von der Kritik sehr unterschiedlich aufgenommen wurde(Di./Mi., 21.30 Uhr, k2).

Im Rahmenprogramm dieser Woche zeigen Renate Graziadei und Arthur Stäldi, als ehemalige Mitglieder von COAX dem Hamburger Publikum bestens bekannt, gemeinsam mit K. H. Schöppner, wie ein Stück entsteht. Täglich zwischen 16 und 19 Uhr kann die interessierte Öffentlichkeit dem Fortgang von der Idee zum fertigen Stück unter dem Titel Prime 71 beiwohnen (bis 13. August, k4).

Eine szenische Lesung im Rahmen einer Abendgesellschaft aus dem Publikum stellt José Leal mit Gala Diner der Zukunft vor. Bettler und Obdachlose der Zukunft organisieren in seiner Erzählung, die hier visualisiert wird, das größte Bankett der Geschichte (Mi, 20 Uhr, Probebühne 1).

Die theatralische Ausstellung Argonautengang in KX und die Holger Matthies-Plakat-Ausstellung in der k3 laufen weiter. tlb

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