Musik für Kinder: Geräusche fürs Gehirn
Musik zum Zuhören und Mitmachen: Zum ersten Mal ist das europäische Festival „Big Bang“ in Hamburg zu Gast. Kindern wird dort ein umfassendes Programm geboten.
HAMBURG taz | Musik ist schön, Musik ist wichtig, Musik macht schlau. Ob bewusst oder unbewusst: Je früher ein Kind mit Musik in Berührung kommt, desto besser. Das zumindest wissen zahlreiche Wissenschaftler, meistens sind es Neurophysiologen und Musikpädagogen und sie berufen sich auf eindeutige Langzeitstudien. Wer es verpasst hat, seinem Kind noch während der Schwangerschaft Bach, Mozart oder Beethoven durch den natürlichen Schalldämpfer Bauchdecke vorzuspielen, meldet es postnatal und unverzüglich bei der musikalischen Früherziehung an. Denn Musik verbessert die Sprach-, Konzentrations- und Lernfähigkeiten, sie löst Reize im kindlichen Gehirn aus und stößt ebendort komplexe Prozesse an – alles absolut unentbehrlich für die bestmögliche weitere Entwicklung.
Stephan von Löwis of Menar ist das alles recht egal. Der Organisator von „Big Bang“, dem europäischen Musikfestival für „junge Abenteurer“, das jetzt erstmals auch in Hamburg stattfindet, interessiert sich nicht dafür, „ob Kinder durch Musik besser Mathe können oder sich ihr Sozialverhalten dadurch ändert“. Aber „für mich selber“, sagt er, „ist Musik ein ganz wichtiger Bestandteil meines Lebens, der mich bereichert und der mich glücklich macht. Und ich möchte möglichst vielen Kinder die Chance geben, dass es ihnen auch so geht.“ Aus dieser lebensnahen und herrlich didaktikfreien Motivation heraus hat von Löwis of Menar die deutsche Erstausgabe des „Big Bang“-Festivals auf die Beine gestellt. Mit 29 Shows aus 8 europäischen Ländern bespielt er ab heute drei Tage lang das Kampnagelgelände – Hallen, Piazza, Foyer und die Technikräume inklusive.
Zuhören & Mitmachen
Es ist ein Festival für Groß und Klein, zum Zuhören und Mitmachen gleichermaßen. Das „Klingende Museum“ etwa lädt die Zuschauer ein, verschiedene Musikinstrumente selbst auszuprobieren. Der Londoner Paul Griffith hat mit Hamburger Jugendlichen aus den Stadtteilen Lohbrügge und Horn ein eigenes Stück entwickelt, das während des Festivals zur Aufführung kommt. Und Peter Schuldt, Chorleiter des musikfördernden Vereins „Young Class X“ lädt mit „Abenteuer Stimme“ alle dazu ein, das Kampnagel-Foyer mit eigenen Klängen zu erfüllen.
Die Bandbreite, die „Big Bang“ präsentiert, ist enorm. Sie reicht vom klassischen Konzert – Saint-Saëns „Karneval der Tiere“ in einem pointierten Arrangement des Jazz-Pianisten und Komponisten Rainer Tempel darf natürlich nicht fehlen – bis hin zu musikalischen Experimenten mit Karotten und Küchenreiben in Moritz Eggerts „Teufels Küche“. Dazu kommen die Klangwelten von Dr. Sound, dem, wie das Programmheft tapfer behauptet, „weltberühmten und fachlich über die Maßen qualifizierten Klang- und Geräuscheforscher“, der dieses Mal gemeinsam mit dem Ensemble Resonanz und dem Kuule Ensemble die Seele der finnischen Musik zu importieren versucht.
Riesenbands & kleine Ensembles
Bei „Big Bang“ sind Riesenbands zu hören und kleine Ensembles, da kommt Musik aus Instrumenten, Samplern, Mänteln und sogar aus Badelatschen. Da gibt es Installationen, Komponiermaschinen und mit der belgischen Zonzo Compagnie sogar ein Reiseangebot zu John Cage. Wouter Van Looy, der Gründer der Zonzo Compagnie, war es auch, der 1995 das „abenteuerliche Musikfestival für Kinder“ ins Leben rief. Seit 2010 findet es unter dem Titel „Big Bang“ mit festen Kooperationspartnern jedes Jahr in verschiedenen europäischen Metropolen statt. Den Reichtum der Musik zu zeigen, die ganze Bandbreite von Klassik, Jazz bis hin zu zeitgenössischer Musik, das war van Looys Grundgedanke und ist auch der von Stephan von Löwis of Menar: „Es geht darum, dass man Dinge jenseits des Mainstreams erfährt. Das traditionelle Kinderlied ist schön, aber die Welt ist ja viel, viel reicher.“ „Wouter van Looy und ich kennen uns schon lange“, erzählt Stephan von Löwis of Menar die Entstehungsgeschichte der deutschen Festivalausgabe. „Als er eines Tages zu mir gekommen ist und mich gefragt hat, ob ich das deutsche ’Big Bang‘ machen will, habe ich, leichtfertig, wie ich bin, ja gesagt.“
In Sachen Kinder und Kulturvermittlung ist von Löwis of Menar ein alter Hase. 1987 organisierte er auf Kampnagel ein erstes Festival für Kinder, aus dem das internationale Musik- und Theaterfestival „Kinder-Kinder“ hervorging, er erfand unter anderem das Musikfest „laut und luise“ in Planten un Blomen und organisiert die Bau-Traum-Feste in der Hafen-City. Ob Kinder ein besonders kritisches Publikum sind? „Ich glaube fest daran, dass Kinder ein untrügliches Gespür für Qualität haben und dass sie merken, ob ihnen irgendein Kinder-Quatsch dargeboten wird oder ernsthafte Künstler dabei sind, auf höchstem Niveau zu musizieren und zu performen.“
Was „Big Bang“ angeht, ist er „offen und neugierig. Wenn es gut läuft, sind die Kinder ganz fokussiert. Wenn es nicht so gut läuft, dann ist das halt so. Ich hoffe einfach, dass eine ganz quirlige, lebendige Atmosphäre entsteht.“ Bei diesem umfassenden und im allerbesten Sinne abenteuerlichen Festivalprogramm kann er sich da ziemlich sicher sein – komplexe Hirnprozesse inklusive!
■ Sa, 18. bis Mo, 20. 4., Kampnagel, Jarrestraße 20, Hamburg
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