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Museumsfriedhof in Tirol„Schi im Schuss – dann war Schluss“

Mit seinen skurrilen Sprüchen ist der Museumsfriedhof in Kramsach eine Touristenattraktion. Bitterböse sind einige Inschriften auf den Grabkreuzen.

Böse und skurril: Inschrift auf einem Grabkreuz im Kramsacher Museumsfriedhof Foto: wikipediaCC BY-SA 4.0

Es ist keine Trauergemeinde, die den Friedhof im tirolerischen Kramsach besucht. Ein Bus mit niederländischem Kennzeichen hat die Leute hergebracht. Sie kommen, um zu staunen. Sie wundern sich. Manche sind empört und schockiert, andere lachen. Schließlich handelt es sich nicht um einen normalen Friedhof. Hier hat noch nie eine Beerdigung stattgefunden. Und doch ragen Dutzende eiserne Grabkreuze, die in Österreich „Marterln“ heißen, aus dem kleinen Park.

Der Museumsfriedhof in Kramsach kommt ganz ohne Tote aus und ist eine Attraktion, weil er skurrile und verrückte, witzige und geistreiche, vor allem aber erschütternd ehrliche Abschiedssprüche bereithält. Sie stehen auf den blumigen Tafeln oder vergilbten Schildern der Kreuze, die im 18. und 19. Jahrhundert vor allem im Alpenraum aufgestellt wurden und in Kramsach ihre letzte Ruhestätte gefunden haben.

„Mit Schi im Schuss – dann war Schluss.“ Bei einem Rundgang laufen die Todesursachen wie Slapstickfilme vor dem geistigen Auge ab. Die Menschen werden von einer Kuh erdrückt oder sterben am selbstgebrauten Bier. Und doch zählen diese Sprüche noch zu den harmlosen. Saftiger wird es, wenn man dem Verblichenen noch eine letzte Watsch’n mitgibt: „Hier schweigt Johanna Vogelsang, sie zwitscherte ihr Leben lang.“

Scherz und Schmerz liegen eng beisammen, hinter den lustigen Grabinschriften verbergen sich Tragödien von ungehörigem Ausmaß. „Hier liegt die Jungfer Rosalind, geboren als unerwünschtes Kind, ihr Vater war Kapuzinerpater.“ Etwas holprig zwar, aber die Geschichte der armen Rosalind könnte man allemal zu einer Soap verfilmen. So manches Dasein lässt sich in drei Worten zusammenfassen: „Aufigschtiegn, obagfalln, hingwösn.“ Aufgestiegen, gefallen, verstorben.

Wer über die Phase des Fremdschämens hinausgekommen ist, fragt sich, wie die pietätlos wirkenden Sprüche in einer erzkatholischen Region in Mode kommen konnten. Natürlich haben sich auch Kirchenforscher damit befasst und vor allem das damalige Verhältnis zum Ableben unter die Lupe genommen. „Vor gut 100 Jahren hatten die Menschen eine ganz andere Beziehung zu Tod und Sterben“, heißt es im Rupertusblatt, der Wochenzeitung der Erzdiözese Salzburg. „Man bediente sich Sprüchen […], um den nahen Tod zu verdrängen oder zumindest abzuflachen.“ Und weiter: „Das lustig Spielerische ließ Distanz zum Geschehen zu.“

Die Wissenschaftlerin Alina Timofte hat sich in „Der letzte Kracher: Komik in der Sepul­kralkultur“ intensiv mit den ersten Sammlungen scherzhafter Grabinschriften befasst, die bereits Anfang des 17. Jahrhunderts erschienen.

Kinder, Weib und Orgel

Sie beschreibt die „Technik, aus dem Namen Fallhöhe für Komik zu gewinnen – mit dem Ergebnis: Verulkung des Berufs“. Interessanterweise nennt sie als explizites Beispiel einen Spruch, der auch in Kramsach zu finden ist: „Hier liegt Martin Krug, der Kinder, Weib und Orgel schlug.“

Das Museum

Der Museumsfriedhof ist in 6233 Kramsach, Österreich, Hagau 82, zu finden. Öffnungszeiten sind Di–So, 9–17 Uhr, Eintritt frei, www.museumsfriedhof.info

Die Reise wurde unterstützt von Alpbachtal Seenland Tourismus.

So mancher Lehrer im Alpenraum erhielt einen ähnlich lautenden Abschiedsgruß. Natürlich hat sich auch Hans Guggenberger, Chef des Open-Air-Museumsfriedhofs, Gedanken über jeden einzelnen Spruch gemacht und festgestellt: „Die Leute waren früher eben sehr ehrlich und haben die Wahrheit gesagt.“ Motto: So war der Verblichene, und so wird’s draufgeschrieben. Fertig.

Guggenberger ist Steinmetz und Bildhauer und hatte auf dem Minihügel ursprünglich nur ein paar Mustergrabstätten errichtet. Dann fielen ihm die ersten Eisenkreuze mit derben Abschiedssprüchen in die Hände, und er startete seine öffentliche Schau. Klar, dass ihm bald schon Denkmalamt und Kirche in die Parade fuhren, die den „Juxfriedhof“ schließen wollten.

500 Jahre Grabeskunst

Er habe sich die Sprüche selbst ausgedacht und angebracht, um die Aufmerksamkeit auf sich und seinen Steinmetzbetrieb zu lenken. Dabei ist nach Angaben des 68-Jährigen kein einziges Fakekreuz dabei. Dennoch ließ sich Guggenberger auf einen Deal ein. Er angelte sich Zuschüsse und gestaltete damit eine politisch und religiös korrekte Ausstellung, die im benachbarten Arkadenhof untergebracht ist. Dort lehnen nun 70 chronologisch gereihte Kreuze an der weißen Wand, die einen Überblick über 500 Jahre Grabeskunst in Tirol und im Alpenraum geben.

Früher musste Guggenberger die Friedhöfe abgrasen, um an wertvolle Stücke zu gelangen. Jetzt, im Internetzeitalter, läuft sein E-Mail-Postfach ständig mit Angeboten voll. Es gibt kaum Sammler, aber viele, die die alten Eisengestelle loswerden wollen. Für wertvolle Exemplare legt Guggenberger schon mal 4.000 Euro hin. Die Restaurierung kann noch mal so viel Geld verschlingen. Der Platz unter freiem Himmel reicht längst nicht mehr aus. Der Tiroler hat mehrere Lagerräume gefüllt. Dort hängen säuberlich aufgereiht, nummeriert und katalogisiert rund 1.000 Grabkreuze. Guggenberger: „Wenn die alle reden könnten, dann wäre hier der Teufel los.“

taz am wochenende

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Sie schweigen, sorgen aber für Gesprächsstoff. Während des Rundgangs sind Bustouristen eingetroffen. Sie rufen sich quer über den Friedhof ihre Interpretationen zu. Es gibt kaum Beschwerden. Selbst eingefleischte Katholiken müssen sich nach einiger Zeit auf dem Friedhof eingestehen, dass sich der Tod mit Humor und einem Lachen besser verarbeiten lässt. 180.000 bis 200.000 Touristen kommen nach Angaben von Guggenberger jedes Jahr, um sich den lustigen Friedhof reinzuziehen. Damit wäre die Freiluftschau eine der meistbesuchten Attraktionen in Tirol.

Man dürfe dem Ableben nicht so viel Beachtung schenken, meint der Kramsacher Museumschef Guggenberger. Er habe keinerlei Vorbereitungen getroffen. Einen Kopf habe er sich nur gemacht, um den passenden Grabspruch für sich zu finden: „Wanderer, steh still und weine, hier ruhen meine Gebeine. Ich wollt’ es wären Deine.“

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