Museum lädt Armenien-Leugner aus: Knapp am Eklat vorbei
Das Hamburger Völkerkunde-Museum ließ sich ein Event unterjubeln, in dem der Völkermord an den Armeniern geleugnet werden sollte.
HAMBURG taz | Das war knapp. Am Dienstagabend zog das Hamburger Völkerkundemuseum – gerade noch rechtzeitig – die Notbremse und sagte eine für den heutigen Donnerstag geplante Veranstaltung kurzfristig ab. Türkische Nationalisten hatten in den Räumen des Museums, dessen oberster Leitsatz „Respekt vor allen Kulturen“ heißt, eine offensichtliche Propaganda-Veranstaltung für die Leugnung des Völkermordes an den Armeniern geplant. Es wäre „unerträglich gewesen“, wenn die in seinem Haus stattgefunden hätte, sagt Museumsdirektor Wulf Köpke.
Am 17. April war die Museumsleitung von einem Mitarbeiter des türkischen Konsulats gefragt worden, ob das Museum bereit sei, Räume für eine „offene Diskussionsrunde zum Thema armenisch-türkischer Konflikt“ zur Verfügung zu stellen. „Wir gingen davon aus, dass das Konsulat Veranstalter ist und hatten da keine Bedenken“, erinnert sich Köpke. In einem weiteren Telefonat wurden die Details geklärt. „Wir glaubten auch diesmal mit einem Konsulatsmitarbeiter zu sprechen, doch wir wurden bewusst getäuscht“, betont Köpke heute.
Denn am anderen Ende der Leitung befand sich kein Diplomat, sondern – wie Köpke heute weiß – ein Mitglied der rechts-nationalistischen Türkischen Jugendorganisation TGB, die in den vergangenen Tagen mehrfach zu Demonstrationen gegen „die Lüge des Völkermords“ aufgerufen hatte. Zudem unterstützt die TGB-Hannover derzeit eine Online-Petition unter dem Titel „Völkermord-Vorwürfe an die Türkei mit sofortiger Wirkung annullieren!“
Erst am Montag – die Veranstaltung war schon mehrere Tage Streitthema in den sozialen Netzwerken Twitter und Facebook – wurde Köpke auf das Veranstaltungsplakat aufmerksam gemacht, mit dem die Diskussion in seinem Haus beworben wird. Auf dem prangt nicht nur die TGB als Veranstalter, es ist auch der britische Historiker Norman Stone als Hauptredner angekündigt, der den Völkermord an den Armenien in seinen Schriften vehement bestreitet. Unter dem Titel „Es war kein Völkermord“ schrieb Stone in der Weltwoche: „Die Massaker von 1915/16 an den Armeniern waren weder Dschihad noch geplante Ausmerzung. Die Türken standen im Krieg, wurden provoziert und verteidigten ihr Reich.“
Am Dienstag nun reagierte Köpke auf die ungefragt bei ihm eingetroffenen zahlreichen Hinweise. „Wir haben die Ausrichtung der Veranstaltung mit Erschrecken erkannt und sie abgesagt“, räumte der Museumsdirektor ein und fügte kleinlaut hinzu: „Wir sind da in etwas hineingetappt und das ist für uns sehr peinlich.“
Weil die Veranstalter sehr kurzfristig angefragt hätten, sei deren Thema nicht wie sonst üblich von der Veranstaltungsabteilung des Museums geprüft und hausintern breit diskutiert worden. Dem türkischen Generalkonsulat gibt Köpke keine Schuld: „Auch die sind von den Veranstaltern offensichtlich getäuscht worden.“
Die Hamburger Abgeordnete Christiane Schneider von der Linken findet hingegen: „Beim Thema Armenien hätte die Museumsleitung sofort hellhörig werden müssen, die Kontrollmechanismen haben offenbar versagt.“ Bereits vergangenen Samstag hatte sie öffentlich die Frage gestellt: „Wieso bietet das Hamburger Völkerkundemuseum der Verhöhnung der Opfer des Völkermordes im Osmanischen Reich eigentlich Raum?“
Stone ist für Christiane Schneider kein Unbekannter: „Er vertritt, dass die Armenier ihre Deportation, bei denen nach seinen Behauptungen 50.000 umgekommen sind, selbst provoziert hätten und er hetzt auch sehr heftig gegen die armenischen Communities.“
Köpke hofft, mit einem blauen Auge davongekommen zu sein: „Wir haben von den Veranstaltern nichts mehr gehört, offensichtlich sind nach unserer Absage auch keine Demonstrationen gegen uns geplant.“ Doch Vorsicht scheint trotzdem geboten. So findet sich auf der Internetpräsentation des Museums seit Neuestem folgender Eintrag: „Aus betrieblichen Gründen fallen am Donnerstag alle Veranstaltungen aus. Das Museum ist ab 17 Uhr geschlossen!“
Die abgesagte „Armenien-Konferenz“ sollte Punkt 18 Uhr beginnen.
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