■ Multikulti-Presse: Reutländer Blatt
Begonnen hat das Reutländer Blatt vor fast genau fünf Jahren als Beilage der Tageszeitung Reutlinger General-Anzeiger. Das sechssprachige Magazin sollte das Interesse von Immigranten an kommunaler Politik im Schwabenland wecken. Ein Volontär und wechselnde ehrenamtliche Redakteure kümmerten sich um die Belange dieser acht Seiten, deren verwirrender Titel aus den Begriffen „Reutlinger“ und „Ausländer“ zusammengesetzt wurde. Als zweieinhalb Jahre später der General-Anzeiger den Reutländer aus Kostengründen einstellte, entschieden sich die Ehrenamtlichen, das Blatt fürderhin ohne fremde Hilfe herauszugeben. Eine Erleichterung, wie die gelernte Journalistin Jutta Stromberg bestätigt, die von Anfang an dabei war. Denn vom General-Anzeiger fühlte sich die Redaktion bevormundet. „Auf die Inhalte hatten wir damals so gut wie keinen Einfluß.“ Heute bezuschußt auf Anregung des Ausländerrates die Stadt Reutlingen den Reutländer mit 2.000 Mark pro Ausgabe. Dafür soll jeweils ein kommunales Thema aus Sicht der Stadt dargestellt werden. Für die Redaktion ist diese Bedingung weniger problematisch. Schlimmer war damals, daß sich die Auflage schlagartig von 50.000 Exemplaren auf nunmehr 5.000 verringerte, die an Schulen, Kebab-Buden und im Rathaus gratis ausliegen.
Schwerpunkte im Reutländer Blatt sind regionale Ereignisse. Ausnahmslos selbstrecherchierte Texte, die von der deutschen Sprache ins Türkische, Griechische, Italienische, Slowenische und Serbokroatische übersetzt werden, füllen das Magazin. Daß seit langer Zeit ansässige Immigranten kein großes Interesse an dem Blatt bekunden, liegt für Jutta Stromberg auf der Hand. So ist das Reutländer Blatt eher für Asylbewerber, Frauen und ältere Immigranten gedacht. Diese verfügen in der Regel seltener über ausreichende Sprachkenntnisse, um deutsche Zeitungen verstehen zu können. Ein umfassender Serviceteil, der Institutionen und Ansprechpartner in der Region benennt, rundet den Inhalt ab.
Zur Zeit arbeiten sechs bis acht Redakteure, die etwa zur Hälfte selbst Immigranten sind, ehrenamtlich an einer Ausgabe, davon außer Jutta Stromberg nur noch ein gelernter Journalist. Von den Schwierigkeiten mit den – öfter einmal wechselnden – Amateuren können die beiden Profis ein Lied singen. Wie auch von der ungewissen Zukunft des Blattes, dessen Existenz immer nur für ein Jahr gesichert ist. Von den Anzeigen, die es immerhin gibt, kann das Blatt jedenfalls nicht allein existieren. Mirko Heinemann
Kontakt: Ridaf – Reutlinger Initiative für deutsche und ausländische Familien –, Ringelbachstr. 195, 72762 Reutlingen, Tel.: (07121) 2676-0
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