: Münchener Stadträte verlassen die Sozialdemokratische Partei
■ Konflikt um Gauweiler–Nachfolge bringt SPD im Stadtrat in die Minderheit / Rot–grüne Mehrheit von Oberbürgermeister Kronawitter endgültig zerfallen / Künftig Große Koalition?
München (dpa) - Die österliche Ruhe im Münchener Rathaus war nur künstlich - am Donnerstag endete die stille Passionszeit mit einem Paukenschlag als Startsignal für eine neue Ära der SPD und ihres Oberbürgermeisters Georg Kronawitter. Nach der sensationellen Wahl des CSU–Kandidaten Hans–Peter Uhl (42) zum neuen „Innenminister“ der bayerischen Landeshauptstadt zogen zwei zum rechten SPD–Lager gezählte Stadträte die Konsequenz aus der Suche nach den „Verrätern“ in der eigenen Truppe, die SPD–Bewerber Christian Ude (39) nicht mit unterstützt hatten: Schriftlich teilten die beiden 47jährigen Peter Kripp und Doris Henkel der Partei mit, daß sie diese „Hexenjagd“ nicht länger mitmachen. Im Stadtrat hat der Schritt zu einer völlig neuen Situation geführt. Waren seit der Kommunalwahl 1984 - bei der Georg Kronawitter für die SPD den Oberbürgermeisterposten von Erich Kiesl zurückholte - SPD und CSU mit jeweils 35 Stadträten gleich stark, so haben die Folgen um die Nachfolge des zum Innenstaatssekretär aufgerückten Münchener Kreisverwaltungsreferenten Peter Gauweiler die „Roten“ jetzt in die Minderheit gedrängt. Mit nur noch 33 SPD–Stadträten und sechs Vertretern der Grünen fehlt in dem 80köpfigen Gremium - auch mit der zusätzlichen Stimme des OB - die rechnerische Basis für ein rot–grünes Bündnis, das in letzter Zeit manche in der SPD anstrebten und bei dem Kronawitter nur widerwillig mitzog. Dagegen ist die CSU ihrem Ziel, 1990 den OB–Sessel zurückzuerobern, nun einen Schritt näher gekommen. Für die Grünen ist klar, daß die „Schaukelpolitik“ Kronawitters die SPD in Zustände einer inneren Zerrissenheit von 1976 zurückführt, als der damalige Amtsinhaber Kronawitter der Partei nicht mehr „vermittelbar“ war. Zwei Jahre später nahm für die CSU dann Kiesl die Position ein. Hämisch kommentierten die Grünen, nun sei zumindest nicht mehr „zu befürchten, daß Kronawitter 1990 nochmal OB werden sollte“. Im Stadtrat muß Kronawitter nun von Fall zu Fall eine Mehrheit suchen - es sei denn, es kommt zur Zusammenarbeit der beiden Großen, womit der OB im Grunde immer geliebäugelt hat. Einigen sich SPD und CSU nicht, „dann geht ohne uns beide in Zukunft nichts“, stellt Kripp selbstbewußt fest. „Wir sind das Zünglein an der Waage.“ Damit werde auch die Blockbildung im Rathaus gesprengt, worin er eine Chance für die Minderheit in der SPD und namentlich für Kronawitter sieht. Erster Test für ein schwarz–rotes Bündnis sind die anstehenden Referentenwahlen, nachdem der potentielle CSU–OB–Kandidat Zöller schon vor dem jüngsten Wahleklat Kronawitter einen „Pakt der Vernunft“ angeboten hatte. Unmittelbar danach hatte der Münchner SPD–Chef Hans–Günter Naumann bereits angekündigt, seine Partei werde nun wohl auf das Angebot der CSU zurückkommen müssen - „auf was sonst?“.
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