: Münchener Staatsoper außer Kontrolle
■ Oberster Bayerischer Rechnungshof übt heftige Kritik an der Verschwendungssucht im Münchener Nationaltheater / Sänger bekam pro Abend stolze 3.000 Mark für stumme Rolle / Hohe Kosten, null Planung
München (ap) - Eine ausschweifende Kostenplanung und höchst unwirtschaftliche Produktionsverfahren hat der Bayerische Oberste Rechnungshof der renommierten Münchner Staatsoper bescheinigt. In ihrem am Dienstag in München vorgelegten Jahresbericht rügten die Rechnungsprüfer vor allem die Inszenierung des „Ring der Nibelungen“ im Frühjahr 1987, die allein 7,8 Millionen Mark verschlungen habe. So wurde für einen vom Komponisten nicht vorgesehehen Sonderpart für 3.000 Mark pro Abend plus Flugkosten extra ein Sänger aus London eingeflogen, der gar nichts zu singen hatte: Es handelte sich nämlich ausdrücklich um eine stumme Rolle. Aber auch sonst waren die Kosten bei der aufsehenerregenden Inszenierung nach Einschätzung der Prüfer stark aus den Fugen geraten. Das Regieteam sei „wie auch sonst meist“ erst engagiert worden, als der Premierentermin schon feststand. Ferner sei eine Kostümbildnerin verpflichtet worden, die ihre Kleider erst am lebenden Modell entwickelte und sie dementsprechend oft wieder verworfen habe. Die 188 Kostüme kosteten daher schließlich 870.000 Mark. „Je Kostüm errechnet sich ein Durchschnittspreis von 5.532 Mark“, bilanzierte der Rechnungshof. Insgesamt bemängelte die Behörde üppige Kostensteigerungen durch extravagante Ausstattungswünsche der häufig verpflichteten Gastregisseure sowie gravierende Mängel bei Planung und Durchführung von Inszenierungen. Durch den allgemeinen Trend zu immer aufwendigeren Opernausstattungen gerieten „die Kosten außer Kontrolle“. Durch in der Regel zu spät und lückenhaft geschlossene Verträge gehe „jegliche wirtschaftliche Steuerungsmöglichkeit vor Produktionsbeginn verloren“. „Seit Frühjahr 1986 gibt es im technischen Bereich der Staatsoper keine Kostenvoranschläge mehr“, hieß es in dem Bericht. So sei eine Planung nicht mehr gewährleistet. Daß auch Verträge im Opernbereich oft nicht so genau genommen werden, belegten die Prüfer mit einem Auftrag an einen Musikprofessor aus dem Jahr 1979: Dieser wurde angewiesen, für München eine abendfüllende Oper zu komponieren. Fast die Hälfte der Gage von 50.000 Mark wurde bereits vorab gezahlt. „Die Komposition liegt noch heute nicht vor“, stellte der Rechnungshof fest. Regreßansprüche seien jedoch nicht geltend gemacht worden. Damit sich München auch in Zukunft renommierte Gastregisseure leisten kann, gab der Rechnungshof eine klare Regieanweisung aus: Die Regisseure müßten frühzeitig verpflichtet werden. Ferner müßten die Anlieferungstermine für die Ausstattung ein Jahr vor der Premiere zwingend vorgeschrieben werden.
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