: Müllverschiebebahnhof
■ Christoph Ewen, der Abfallexperte am Darmstädter Öko-Institut, über Töpfers Abfall-Pläne INTERVIEW
taz: Am Mittwoch wurde im Kabinett die neue Abfallverordnung verabschiedet. Bringt sie das „Ende der Wegwerfgesellschaft“?
Christoph Ewen: Schön wär's. Die Verordnung wird vor allem eine Verschiebung der Abfallmengen von der öffentlichen Beseitigung hin zur privaten Abfallentsorgung bringen. Und sie wird zweitens eine Verschiebung zu mehr Recycling bringen. Aber sie bringt keine Wende zur Müllvermeidung. Recycling bleibt aber problematisch, wenn man zum Beispiel Blumentöpfe aus Alt-Kunststoffen macht und damit die ganzen Problemstoffe in der Umwelt verteilt.
Ist nicht doch eine neue Qualität erkennbar, wenn dem Verbraucher Rückgabe-Rechte für Verpackungsschrott eingeräumt werden?
Die Rückgaberechte und die Pfanderhebung auf bestimmte Verpackungen sind etwas sehr Sinnvolles. Aber Töpfer hat dem Handel ja die Möglichkeit eingeräumt, aus diesen Zwängen wieder auszusteigen. Dann sind Rücknahme und Pfand ganz schnell passé.
Wie funktioniert der Ausstieg?
Der Handel muß in seinem Bundesland nachweisen, daß er ein Hol- und Bringsystem für Verpackungen installiert, also beispielsweise eine Tonne für Verpackungen in jedem Haushalt. Wenn er eine bestimmte Quote des Verpackungsmülls erfaßt, in der ersten Stufe ab 1993 etwa 50 Prozent, dann entfallen Rücknahmepflicht und Pfand.
Dann darf auch kein Verbraucher die Verpackungsfluten im Supermarkt liegenlassen?
Nein, denn dazu hat er ja seine Extra-Tonne zuhause. Ohne dieses große Schlupfloch, das die Bundesregierung gelassen hat, wäre die Verordnung eine prima Sache. So bleibt sie halbherzig.
Wird durch die Verordnung die Müllverbrennung reduziert?
Das ist ein positiver Aspekt. Die Verbrennungsmenge wird verkleinert, nachdem es in den ersten Entwürfen noch so aussah, als würde die Verpackung lediglich von den öffentlichen zu den industriellen Verbrennungsöfen wandern. Jetzt ist es so, daß Töpfer Quoten für die stoffliche Verwertung, also fürs Recycling, festgelegt hat. Demnach muß eine bestimmte Menge der vom Handel eingesammelten Verpackung recycelt werden. Die Wirtschaft hat sich gegen diese Verschiebung von thermischer zu stofflicher Verwertung lange gewehrt. Andererseits sieht die Verordnung vor, daß erst ab 1993 nachgefragt wird, ob die Verwertungsquoten auch wirklich eingehalten worden sind. Wenn man dann feststellt, daß dies nicht passiert ist, hat man wieder wertvolle Zeit verloren. Interview: Manfred Kriener
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