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MüllBiogas-Anlage madig gemacht

Die BSR will statt zwei nur noch eine Biogasanlage für die Abfälle aus der Biotonne bauen. Die Entscheidung kommt überraschend - und wird erst auf Umwegen bekannt. "Peinlich" nennen das die Grünen. Die SPD sieht Gesprächsbedarf.

Die Berliner Stadtreinigung (BSR) hat sich mit ihren beiden Biogasanlagen verplant. Nachdem das Abfallentsorgungsunternehmen zwei Grundstücke in Spandau und Marzahn gekauft hatte, um darauf zwei Biogasanlagen zu bauen, wird wohl nur eine Anlage errichtet. Dort sollen die Abfälle aus der Biotonne vergären und so ökologisch vorteilhaftes Biogas entstehen.

Die geänderte Planung bei der BSR gelangte erst über das Amtsblatt der Europäischen Union an die Öffentlichkeit. In dem Amtsblatt hatte die BSR im April angekündigt, bald die "Errichtung und Inbetriebnahme von zwei Anlagen zur Vergärung von Bioabfällen" auszuschreiben. Beide zusammen sollen 63.000 Tonnen Bioabfall pro Jahr schlucken. Im Juli schob die BSR dann die Korrektur nach: Es soll nur noch eine Anlage gebaut werden, und zwar jene in der Nähe der Müllverbrennungsanlage Ruhleben in Spandau. Die andere Anlage im Gewerbegebiet Eastside in Marzahn entfällt. Dafür soll die Spandauer Anlage mit 60.000 Tonnen fast so viel Biomüll im Jahr fassen wie die beiden zuvor geplanten Anlagen zusammen.

BSR-Sprecher Thomas Klöckner: "Wir haben bei der Konkretisierung der Planung festgestellt, dass es sinnvoller ist, nur eine Anlage zu bauen." Denn mit dem Biogas sollen später Fahrzeuge betankt werden; die Technik für die Betankung rentiere sich besser, wenn man sie nur an einem Standort aufbaue. Man werde daher dem Aufsichtsrat der BSR vorschlagen, auf dem zweiten Grundstück keine Anlage zu bauen. Wie viel Geld das landeseigene Unternehmen für das zweite Grundstück, das jetzt vorerst doch nicht gebraucht wird, ausgegeben hat, wollte Klöckner nicht sagen. Genauso wenig, wie viel Geld denn im Betrieb eingespart werden, wenn nur eine Anlage gebaut wird.

Dass die Änderung bei der Planung erst über Umwege bekannt wird, findet der stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende Michael Schäfer "wirklich peinlich". Die BSR müsse bei solchen Vorgängen von sich aus die Abgeordneten und die Öffentlichkeit informieren.

Schäfer fürchtet durch die Entscheidung zudem negative Auswirkungen auf die Umwelt: "Wenn der Biomüll aus der ganzen Stadt nun zu einem Standort gefahren werden soll statt zu zweien, sind natürlich die Wege für die Müllfahrzeuge deutlich länger - und die stoßen mehr CO2 aus." Der Grünen-Politiker fragt sich auch, was denn nun aus dem Ziel wird, künftig deutlich mehr Biomüll zu sammeln. Bisher landen pro Jahr rund 50.000 Tonnen Küchenabfälle, Kaffeesatz und verdorbene Lebensmittel in den braunen Tonnen. In Zukunft sollen es 100.000 Tonnen sein. Die beiden Biogasanlagen sollten daher so gebaut werden, dass sie sich erweitern lassen. Schäfer: "Nimmt die BSR dieses Ziel noch ernst?" BSR-Sprecher Klöckner verweist darauf, dass man ja doch noch das zweite gekaufte Grundstück nutzen könne, um darauf eine weitere Anlage zu bauen.

Auch in der Koalition gärt es. Schließlich hatte der Senat zuletzt vor erst sechs Wochen den Abgeordneten die BSR-Pläne erläutert. Der umweltpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Daniel Buchholz, wundert sich: "Ich finde es merkwürdig, dass die BSR in so kurzer Zeit ihre eigene Planung umgeworfen hat." Seine Fraktion hat daher das Thema im Abgeordnetenhaus-Ausschuss für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz für die erste Sitzung nach der Sommerpause auf die Tagesordnung gesetzt.

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1 Kommentar

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  • JB
    Jörg Bratz

    Wie kann man bloß auf die Idee kommen mitten in der Stadt eine Biogasanlage dieser Größenordnung errichten., zudem an einen Standort, der mit der Müllverbrennungsanlage, dem Klärwerk und vielen anderen Betrieben für die Anwohner eine sehr hohe Geruchs- und Lärmbelästigung verursacht.

    In den Zeiten der geteilten Stadt sind diese Industrieansiedlungen noch zu verstehen, in der heutigen Zeit jedoch gehören diese Anlagen nicht in ein Stadtgebiet.WAS SOLL da das salbungsvolle Gerede der Politiker von Umweltschutz. Der Umweltschutz soll der Natur und vor allem dem Menschen dienen.

    Also gehören solche Anlagen in eine Umgebung , wo möglichst wenige Menschen beeinträchtigt werden.

    Das Argument der kurzen Transportwege zeigt auch hier wieder, daß es der Politik eben nicht um das Wohl des Menschen geht, sondern wie in der Wirtschaft, da ist es aber legitim, eben auch nur ums Geld.