■ Soundcheck: Mother Earth / Corduroy / Brave Old World
Gehört: Mother Earth/Corduroy. Freunde der Siebziger, Jahre deren Zeitgefühl ein wenig verzögert kommt, hatten am Samstag schlechte Karten. Denn wer zur „coolen“ Zeit eine Stunde zu spät kam, der hatte Mother Earth schon verpaßt. Die Acid Jazz-Cult-Band ging um kurz nach Neun auf die Bühne und war eine dreiviertel Stunde später schon wieder Backstage. Die anfänglich dreißig Besucher im Powerhouse hatten nichtsdestotrotz ihre reine Freude. Eine wilde Sängerin, zwischen Soul und Rock fein gemahlene gute Laute und beste „Vibes“ trotz magerer Ausbeute kredenzten den ersten Teil zum eigentlichen Hit. Als Corduroy um 11 Uhr endeten, um anschließend in den Mojo-Club zum Feiern zu gehen, war der Laden endlich gerade so voll, wie man es gleich erwartet hätte. Ein wenig mehr Delay beim Veranstalter hätte hier gut getan. Corduroy stellten ihre zweite Platte auf Acid Jazz High Havoc vor und legten das Feuer ans Haus, um das Fans von amerikanischen 70er-Krimi-Serien und Funk der Old-School so verzückt zu tanzen wissen. Das animierte auch Scott Addison zu Turnübungen auf seiner Orgel und eigentlich waren alle schließlich glücklich. So muß das in den bunten Siebzigern auch gewesen sein. Leider war keiner von uns dabei. Paul Moos
Gehört: Brave Old World. Das amerikanisch-deutsche Quartett, das Freitag auf Kampnagel ein überwiegend elterliches Publikum zur Begeisterung trieb, schwelgt, wie der Name schon sagt, musikalisch in der nostalgischen Erinnerung an die vernichteten Schtetl-Gemeinden des Ostjudentums. Anders als etwa die Klezmatics fusionieren sie den Klezmer nicht mit zeitgenössischen Stilen, sondern komponieren im Geist und auf den Motiven der Orginale. Lediglich textlich setzt sich Band-Leader Michael Alpert mit der neuen Zeit auseinander. Stücke über das Schtetl von Tschernobyl oder die Sicht eines Juden auf Berlin sind poetisch ergreifend, jedoch läßt der allzu brave Rapport vor der zerstörten Kultur oft eine gewisse Langeweile auftreten. Doch der Wille zur konventionellen Form wird mit einer musikalisch überzeugenden Fertigkeit und einem höflichen Charme dargeboten, so daß die anfängliche Distanz zwischen Band und Publikum schlußendlich zerbrach. tlb
Heute abend: Das Jazz-Hip Hop-Projekt Jazzmatazz wird diesmal begleitet von Courtney Pine, sowie, gleich dem letzten Mal in diesem Sommer, von DC Lee und Lonnie Liston.
Große Freiheit, 21 Uhr
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