Moskaus Zwist mit Weissrussland: Minsk dreht den Gashahn zu
Weißrussland stoppt den Transit von russischem Gas in die EU. Hintergrund ist auch ein politischer Streit zwischen Minsk und Moskau.
MINSK taz | Im Gasstreit mit Russland hat die weißrussische Regierung angeordnet, den Transit von Gas in die EU zu stoppen. Das gab der Sprecher von Präsident Alexander Lukaschenko am Dienstag in Minsk bekannt. Russland hatte zuvor wegen unbezahlter Rechnungen die Gaslieferungen in das Nachbarland gedrosselt. Der Sprecher Lukaschenkos warf Moskau vor, "das weißrussische Volk zu erniedrigen". Minsk wirft Moskau vor, nicht Weißrussland schulde Russland Geld für Gas, sondern Russland habe Transitgebühren für das Weiterleiten des Gases nicht bezahlt. Rund ein Fünftel der russischen Gasexporte nach Westeuropa fließen über weißrussisches Gebiet.
Vordergründig dreht sich der Streit ums Geld. Moskau verlangt für die Gaslieferungen des ersten Halbjahres 2010 eine Nachzahlung von 200 Millionen Dollar. Zwar hatte Minsk bezahlt, aber nach dem Vorjahrestarif und nicht nach dem für 2010 vereinbarten Preis. Für 1.000 Kubikmeter Gas zahlte Minsk 150 US-Dollar statt 169 Dollar. Russlands Monopolist Gazprom begründet sein Vorgehen mit der Befürchtung, die Schuld der Weißrussen könnte bis Ende des Jahres zu einer halben Milliarde Dollar auflaufen.
Weißrusslands Diktator Alexander Lukaschenko bleibt jedoch stur. In der letzten Verhandlungsrunde Montag früh bot Lukoschenko Russland unterdessen an, die Außenstände mit Warentauschgeschäften zu begleichen. Vornehmlich durch Lieferung von Industrieerzeugnissen. Kremlchef Dmitri Medwedjew lehnte den Handel jedoch ab. Dass die Drosselung der Gaslieferungen dem Ruf Gazproms als verlässlicher Lieferant in Europa erneut schaden könnte, fürchtet der Energiegigant diesmal nicht.
Noch haben die Europäer den monatelangen Gaskrieg mit der Ukraine und die Lieferengpässe nicht vergessen. Das Ansehen des Konzerns hatte darunter stark gelitten. 20 Milliarden Kubikmeter Gas fließen durch weißrussische Rohre nach Westeuropa. Falls es die Leitungen anzapfen sollte, wie angedroht, wolle man mehr Gas durch ukrainische Leitungen pumpen, beruhigte Gazprom-Chef Alexei Miller.
In dem harten Vorgehen Russlands gegen den Nachbarn sehen Beobachter in Moskau mehr als nur eine Schuldenfrage. 200 Millionen US-Dollar sind im Vergleich zu den geschätzten 35 Milliarden Dollar, die Minsk durch günstige Energiepreise unter dem Weltmarktniveau als Subventionen in den vergangenen 20 Jahren erhielt, eine geringe Summe. Moskaus Zorn hat politische Hintergründe.
Alexander Lukaschenko gibt sich zunehmend unbotmäßig. Zuletzt weigerte sich er sich, das im Dezember vereinbarte Abkommen über eine Zollunion vom Parlament ratifizieren zu lassen. Ohne die Zustimmung bleibt die geplante Zollunion zwischen Russland, Weißrussland und Kasachstan ein Papiertiger. Russland drohte schon, an der Grenze zum Nachbarn Zollposten zu errichten. Lukaschenko besteht darauf, dass in der Zollunion neben den Einfuhr- auch die Exportzölle abgeschafft werden. Moskau lehnt dies ab.
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