: Moskaus Mütter trauern
■ Hans Werner Olm gastierte Samstag mit Ingolf Lück sehr spät und ausverkauft in der Schauburg: „Gorbatschow muß sterben“
Wenn der Schnee schmilzt, gehen die Menschen ins Theater. Während noch um acht Frau Evelyn Künecke ihre Wochenendauftritte im Packhaus mangels Zuspruch lieber ausfallen ließ, setzte etwa gegen 22 Uhr 18 großes Tauwetter ein, und ausgehhungirge Menschen kamen hinter ihren Zentralheizungen hervorgekrochen und patschen in die Schauburg. Ich patschte gleichzeitig mit Ingolf Lück (ooohhhh, Ingolf, live - ui) herein und stand auf der Gästeliste. Das war mein Glück. Ingolf nämlich war ausverkauft.
So ließ man den amusementhungrigen Haufen noch ein bißchen oben im Vorraum rumstehen, damit er ordentlich was verzehre und sich gut unterhalte an solch lauem Abend, und öffnete erst nach 23 Uhr auf heftiges Drängen die Pforten zum Saale. Ich kriege Rückenschmerzen vom langen Stehen. Saß also und war skeptisch.
„Ich bin ernsthafter Kaberettist“, sagt Ingolf irgendwann, „lachen Sie nicht. Bitte, lachen Sie nicht.“ Das war aber bloß eine Rolle, das ist oft so im Theater. Ingolf spielt außerdem: Easy, Redakteur von Bild und Welt und Inhaber einer Sekretärin (Liesel Hans Werner Olm), Kariertes-Jackett-Ansager von Gorbi-Tele, Stehkneipen -Arbeiter aus Doooartmund, Rambo, unterschiedliche Sänger, CDU-Wahlkampfplaner und Babsie oder Trixie oder so von den Grünen.
Ingolf aber, der Ingolf-ist-klasse zwischen unseren Formel
Eins-Popvideos, der Viel-besser-als-Peter-Illmann-und -Stefanie-Tücking-und-wie-heißt-das-neue
Milchgesicht-Ingolf - Ingolf also ist gar nicht der Star des Abends. Er ist durchgängig und gleichbleibend ziemlich laut, wirft seine hübschen langen Beine mit den ewigen Turnschuhen unten dran unter Tisch und Stuhl und den Kopf ständig in den Nacken. Wir mögen ihn alle, aber er war nicht wirklich großartig. Er ist nur so nett. So unbekümmert. Der Gottschalk der Subkultur.
Wirklich großartig aber ist Hans-Werner Olm. Er kann aus seinem Gesicht das Eingefallenste, Einfältigste, Sauertöpfische machen, was Sie je als Gesicht gesehen haben, er hat eine saumäßige saukomische schlechte Haltung, er flötet und zirpt und gurrt und alternativt („Du, dasch isch jetscht aber ächt nisch in Ordnung von Dir, dasch isch gansch gemeiiin“) und singt wie Ivan Rebroff, Reinhard May, Bata Illic und Peter Maffay und das alles hintereinander. Er ist Alfred Biolek („ssenck juuu ferry matsch foar kamming“) und greift Ingolf-Rambo gern ans Bein. Und er ist Liesel, die sich hinterher mit Herrn Möllemann verlobt. Möllemann ist ein geflügeltes Wort im Programm.
Alles in allem ein fröhliches Hinhauen auf Medien, Parteien und Showbiz. Nicht gerade irrsinnig neu, auch nicht irrsinnig bös, aber fein komisch und prächtiger internationaler Klangwitz. Und mittendrin eine Kaffepause. Für den Umsatz.
Petra Höfer
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen