: Moskaus Golf-Emissär auf Friedenstour
■ Primakow bereist Westeuropa in Sachen Golfkrise/ Spekulationen über neue Bagdader Verhandlungspositionen/ UN-Generalsekretär de Cuellar glaubt nicht an rasches Ende der Krise 8
INTERNATIONALESDONNERSTAG, 18.10.90
Paris (dpa/afp) — Der Abgesandte des sowjetischen Präsidenten Gorbatschow in Sachen Golfkrise, Primakow, ist gestern in Paris eingetroffen. Für den Abend war ein Treffen mit Staatspräsident Mitterrand geplant. Primakow war zuvor in Rom. Heute wird er in Washington erwartet. Nach der Unterredung mit dem italienischen Ministerpräsidenten Andreotti hatte Primakow bekräftigt, Moskau wolle einen bewaffneten Konflikt am Golf verhindern.
Vor zwei Wochen hatte Primakow Gespräche in Bagdad und Amman geführt. Die sowjetische Agentur 'nowosti‘ meldete daraufhin, der irakische Präsident Saddam Hussein habe Primakow die Bereitschaft zu einem Teilabzug aus Kuwait signalisiert, wenn der Irak dafür mit den Inseln Bubiyan und Barba einen erweiterten Zugang zum Golf erhielte und die nördlichen Ölfelder Kuwaits behalten dürfe. Auch aus Amman war zu hören, daß Saddam schon am 9. Oktober bei einem geheimen Besuch in Jordanien gegenüber König Hussein die Bereitschaft zu einem Teilrückzug erklärt haben soll.
Bagdad hatte diese Meldungen umgehend dementiert. „Die Position Iraks zu den nationalen Fragen, darunter die der Provinz Kuwait, ist konstant und hat sich nicht verändert“, zitierte die amtliche irakische Nachrichtenagentur 'ina‘ das Informationsministerium. „Kein irakischer Führer hat bisher gesagt oder wird jemals sagen, daß Kuwait nicht Teil des Irak ist.“
US-Außenminister Baker hatte am Dienstag die Idee eines teilweisen irakischen Rückzugs aus Kuwait abgelehnt. Auf einer Pressekonferenz sagte Baker, das offenbare Interesse des irakischen Präsidenten an einem Abzug seiner Truppen aus dem Golf- Emirat im Tausch gegen zwei strategisch wichtige Inseln oder andere Zugeständnisse bedeute, daß er von der „Vergewaltigung Kuwaits“ profitieren werde. Doch trotz des Bagdader Dementis und trotz der Washingtoner Ablehnung des ohnehin Dementierten gehen politische Beobachter davon aus, daß Primakow zumindest Ansätze für neue diplomatische Positionen aus Bagdad mitgebracht haben könnte.
Unterdessen setzte US-Verteidigungsminister Cheney seine Beratungen in der sowjetischen Hauptstadt fort. Gestern traf er zunächst zu einem weiteren Gespräch mit dem sowjetischen Verteidigungsminister Jasow zusammen. Der erste offizielle Besuch des US-Verteidigungsministers in der Sowjetunion erfolgt vor dem Hintergrund des Golfkonflikts und der irakischen Warnungen an die Sowjetunion, keine militärischen Informationen über den Irak an die USA weiterzugeben. Offiziellen sowjetischen Angaben zufolge dient der Besuch Cheneys „der Stärkung des gegenseitigen Verständnisses“.
Wenig hoffnungsvoll äußerte sich UN-Generalsekretär Perez de Cuellar über die Möglichkeit einer baldigen, friedlichen Lösung des Golfkonflikts. In einem Interview mit dem Hamburger Magazin 'Stern‘ sagte er, er sehe „wenig Bewegung“ in dieser Richtung. Er habe den Eindruck, „daß die Mitglieder des UNO-Sicherheitsrates noch etwas warten werden, um zu sehen, ob die Sanktionen nicht doch noch irgendeine Wirkung zeigen“. Falls nicht, wäre auf Grund eines entsprechenden Sicherheitsratsbeschlusses der Einsatz von Militär gegen den Irak „vollkommen legal“. Sollte es der UNO aber doch noch gelingen, die Golfkrise zu bewältigen, „müssen wir uns anschließend sofort um das Palästinenserproblem bemühen“, meinte Generalsekretär Perez de Cuellar.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen