Moschee-Architektur: Zwiebel statt Bleistift
Rendsburgs Moschee setzt auf Historismus und Dialog.
"Wer ein Haus baut, will bleiben", sagte der jüdische Architekt Salomon Korn einmal. Und wer bleibt, so hofft man, will sich integrieren. Die Rendsburger Centrum Moschee dämpft auf den ersten Blick allerdings diese Hoffnung. Keine Spur von Moderne, von einer zeitgemäßen Neuinterpretation des muslimisch-sakralen Baus wie 1968 mit der Bilal-Moschee in Aachen oder die Großmoschee heute in Köln. Stattdessen ein historisierender Rückgriff auf die Formensprache der osmanischen Moschee: würfelförmiger Baukörper, zentrale Kuppel, integrierte Minarette, zweistöckige Fensterreihen und Rundbogengang. Ein Bekenntnis zu Offenheit und der Vereinbarkeit von Islam und Demokratie sieht anders aus.
Bei näherem Hinschauen wird dann aber unübersehbar, dass die Rendsburger Centrum Moschee durchaus im Dialog mit ihrer Umgebung steht. Sie verzichtet auf islamische Signalfarben wie Grün, Türkis oder Blau und verwendet stattdessen weißen und gelben Klinker, die die nordische Backsteintradition aufnehmen. Der halbrunde Mittelrisalit zitiert wiederum barocke europäische Schlossarchitektur. Dieser Dialog gipfelt wortwörtlich in den Minaretten, die nicht in die übliche Bleistiftspitze auslaufen, sondern von Zwiebeldächern gekrönt werden - von einer ursprünglich orientalischen Bauform also, die am Beispiel der Barockkirchen des Alpenraums daran erinnern, wie lang der Dialog zwischen Westen und Nahem Osten schon währt.
Die Architektur der Rendsburger Centrum Moschee bildet diesen Dialog zaghaft ab - ohne ihn konsequent fortführen zu wollen oder zu können. Was die Moschee damit auch abbildet, ist das Desinteresse hierzulande, auf das Muslime lange stießen. Wenn selbstbewusster Moscheebau daran etwas ändert, wäre schon einiges gewonnen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Frauen in der ukrainischen Armee
„An der Front sind wir alle gleich“
Wirkung der Russlandsanktionen
Der Rubel rollt abwärts