: „Morsleben sofort stillegen“
■ Einstweilige Verfügung gegen das von der DDR übernommene Atommüllendlager bei Helmstedt
Berlin (taz) — Rechtsanwältin und BBU-Vorstandsmitglied Claudia Fittkow hat über eine einstweilige Anordnung beim Bezirksgericht Magdeburg die sofortige Stillegung des Atommüllendlagers Morsleben bei Helmstedt verlangt. Das frühere DDR-Endlager, das seit 3. Oktober von der Bundesrepublik übernommen wurde und dessen alte SED-Genehmigungen noch zehn Jahre weitergelten sollen, werde trotz „gravierender Sicherheitsmängel“ voll weiterbetrieben, begründete die Rechtsanwältin ihre Klage. Am Wochenende forderten auch die Delegierten der BBU-Mitgliederversammlung in Braunschweig, das Endlager sofort außer Betrieb zu setzen.
Claudia Fottkow hat in einer zwölfseitigen Klagebegründung auf die wichtigsten Schwachstellen, Sicherheitsmängel und die vielen offenen Fragen im Zusammenhang mit dem ehemaligen DDR-Atommüllendlager hingewiesen. Es sei offensichtlich, sagte sie gestern der taz, daß Morsleben als willkommener Ersatz für die hierzulande bisher nicht vorhandenen Entsorgungsstätten dienen solle.
Die Klägerin wohnt nur knapp fünf Kilometer vom DDR-Atommüllager entfernt. Sie hat es gemeinsam mit fachkundigen Experten selbst inspiziert und schildert dem angerufenen Gericht ihre Eindrücke vom Betrieb des Lagers unter eidesstattlicher Versicherung. Die Fässer, in denen der Atommüll eingefüllt ist, „wirkten wie ganz normale Regentonnen, Farbfässer oder ähnliches und waren teilweise bereits eingebeult“, heißt es in der Klage. Auch eine „visuelle Kontrolle des einzulagernden Inhaltes findet vor dem Versturz in den Hohlraum nicht statt.“ Fittkow weist das Gericht auch auf die bei Fachleuten hoch umstrittene Einlagerung von flüssigen Atomabfällen hin, die nur notdürftig mit Braunkohleasche gebunden würden. Westdeutsche Strahlenschutzexperten hätten die „gartenschlauchähnlichen Leitungen“ für den Flüssigmüll „mit erstaunter Skepsis“ beobachtet, zitiert die Rechtsanwältin einen Zeitungsbericht. Auch die für ein Atommüllendlager geforderte Stabilität des Salzstocks sei keinesfalls gewährleistet. Bei ihrer Besichtigung habe unter Tage nicht nur ein Blaulicht vor austretender Radioaktivität gewarnt, die Bergleute hätten außerdem berichtet, daß zur weiteren Stabilisierung eine Mauer gezogen werden müsse, weil „der Berg wandert“.
Die Helmstädter Rechtsanwältin geht auch auf vorhandene Wasseradern im Gestein ein und die Gefahr eines Wassereinbruchs: Ein Wassereinbruch würde eine erhebliche Gefahr für das Grund- und Trinkwasser bedeuten, zumal „die Stadt Helmstedt ihr Trinkwasser seit Jahrhunderten in unmittelbarer Nähe des Endlagers gewinnt.“ Ausführlich werden in der Klage die „ungeklärten Eigentumsverhältnisse“ von Morsleben behandelt. Entgegen den Vorschriften des Atomgesetzes sei im Augenblick völlig unklar, wem das Atommüllendlager gehöre und wer es betreibe. -man-
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