■ Morgen geht die Messe "Fur and Fashion" zu Ende, Gradmesser für den Miniboom der Branche. Aus diesem Anlaß bieten wir: eine Kulturgeschichte des Pelzes, einen Gang durch die Frankfurter Pelzmeile und Gründe dafür, auf Pelz zu verzichten: P
Morgen geht die Messe „Fur and Fashion“ zu Ende, Gradmesser für den Miniboom der Branche. Aus diesem Anlaß bieten wir: eine Kulturgeschichte des Pelzes, einen Gang durch die Frankfurter Pelzmeile und Gründe dafür, auf Pelz zu verzichten
Pelz–eine haarige Affäre
Die zottelig weiche Außenhaut seltener Tiere, Chinchillajäckchen, Persianer- und Nutriamantel, wurde in der Nachkriegszeit als Statussymbol rasch wiederentdeckt. Wenn frau sich in Tierfell hüllte, verwies das nicht bloß auf kühle Erotik, sondern auch auf die pure Freude an der Verschwendung sowie auf das Vermögen, es sich auch leisten zu können. Pelzige Eleganz war eine privilegierte Weise, die nackte Haut seiner sozialen Existenz zu verhüllen. Spätestens Anfang der 70er Jahre, als künstliche Fun Furs aufkamen, lila, blau oder grün eingefärbte und zu Patchwork zusammengesetzte Ganzkörpermuffs, war es um den Luxus echter Rauchware (so nannte man bis zum 19. Jahrhundert behaartes und haltbar gemachtes Fell) im Grunde schon geschehen.
Der Pelz war zu einem beliebigen, ganz und gar uneleganten Kleidungsstück im Zeichen des Kuschellooks verkommen. Es bedeutete nicht länger die Kunst, sich kostbar zu kleiden, sondern signalisierte das Bedürfnis, gestreichelt zu werden – gefühlsecht in die Regression. Zurück zu Mutter Natur gewissermaßen. Der Rest war Sache der Tierschützer, auf deren Druck 1973 das Washingtoner Artenschutzgesetz ratifiziert wurde.
Dabei legten sich schon in der Jüngeren Altsteinzeit Menschen die zur Verfügung stehenden Felle um den Körper, um diesen zu wärmen und zu schützen, aber auch, um sich ihrer magischen, symbolischen und abschreckenden Wirkung zu bedienen. Der vielfältige Gebrauch des Pelzes veranschaulicht seit jeher den Umgang seines Trägers mit der Macht. Für Elias Canetti beschreibt er das Vermögen zur Verstellung und Verwandlung, eine Kunst, die später vom Schauspiel verfeinert wurde.
Der Fellträger hatte ein wildes Tier getötet und verstand es also, zu leben und zu überleben. Der Pelzmantel als Trophäe einer früh einsetzenden Individualisierung. Den Wildwuchs an Machtsymbolen brachte Karl der Große im Jahre 808 schließlich in eine allgemeine Kleiderordnung, in der er den verschiedenen Ständen ihre jeweilige Fellart zugestand. Marder, Zobel, Luchs, Feh und Hermelin gebührten nun führenden Geschlechtern, während Bär, Wolf, Schaf und Iltis dem gemeinen Volk gut standen. Das war nicht primär als Modediktat zu verstehen. Das teure Tier wurde ohnehin nur nach innen getragen. Um welches Futter es sich gerade handelte, erkannte man lediglich an den verbrämten Ärmelenden und am Kragen.
Der erste Außenpelzmantel, so wird vermutet, tauchte erst im kalten Winter des Jahres 1809 in der Pariser Gesellschaft auf, doch noch immer bevorzugte man den Pelz als Verzierung an Hut und Mütze oder als ausgestopftes Tier, niedlich oder schaurig um die Schulter geschwungen. Zwar sah man bald auch die ersten Herren im Außenpelzmantel, aber deren Erscheinung muß so ungewöhnlich gewirkt haben, daß ihre Träger auf der Straße heftig beschimpft und zum modischem Verzicht aufgefordert wurden.
Das Schicksal eines jeden Luxusartikels ist indes die Okkupation des Symbolwerts durch die niederen Klassen. Um 1900 gaben Stinktier, grauer Feh, Maulwurf und Kaninchen den „Pelz für alle“ ab, aber die rechte Lust auf behaarte Tierhaut war dadurch sichtlich beeinträchtigt. Zwar setzte sich der Außenpelzmantel für den Herrn dann doch noch durch, aber da war er nur noch die zweckmäßige Bekleidung für das neue und bis heute dominierende Statussymbol, das offene Automobil. Der Herrenpelz wird unterdessen vor allem in Gesellschaftskreisen bevorzugt, wo die schnelle Flucht bisweilen opportun ist. Mit Rolex am Handgelenk und der teuren Kutte auf der Schulter, läßt sich eine Weile auch in der Illegalität überleben.
Ein bemerkenswertes Comeback des Pelzes soll kürzlich Madonna mit ihrer Rolle in Evita ausgelöst haben. Daß der auch hierzulande zu verzeichnende Aufschwung des Kürschnergewerbes von einer bevorstehenden Verpelzung der Gesellschaft kündet, ist allerdings nicht zu vermuten. Eher schlägt darin eine besondere Form des Ökohedonismus, das trotzige sich Abwenden vom tierschützerischen Rigorismus, zu Buche, während die Industrie selber auf ein „beispiellos positives Artenschutzverhalten“ verweist und von der Verwendung „tiergerechter Fallensysteme“ spricht. Vielleicht hat der neuerliche Trend zum Pelz aber auch mit einer zunehmenden Furcht vor sozialer Kälte zu tun. Man wird sich wohl wieder wärmer anziehen müssen, lautete die Botschaft. Die meisten bedürfen dazu aber gar nicht des Pelzes. Für einige reichen sogar taz–die Decke oder taz–die Jacke. Harry Nutt
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