Mordprozess: Tatmotiv: politische Gesinnung
Für die Ankläger ist die rechtsextreme Haltung des mutmaßlichen „Maschsee-Mörders“ unerheblich. Beratungsstellen für Opfer rechter Gewalt kritisieren das.
HAMBURG taz | Der Prozess gegen den sogenannten Maschseemörder Alexander K. ist gestern fortgesetzt worden. Bereits vor dem Mord seien Polizei und Verfassungsschutz einem Zeugen zufolge auf die Gewaltfantasien des mutmaßlichen Täters hingewiesen worden. Ein Bekannter habe die Behörden im vergangenen Jahr über Tötungsabsichten des Angeklagten informiert, sagte ein Zeuge vor dem Landgericht. Aber niemand habe reagiert. Der 25-jährige Angeklagte soll im Oktober 2012 eine 44-jährige Prostituierte getötet, zerstückelt und im Maschsee versenkt haben.
Anders als zunächst geplant wurde die ehemalige Freundin des Angeklagten nicht erneut vernommen. Das soll nun heute nachgeholt werden. Sie hatte bereits vor Gericht ausgesagt, K. habe die Prostituierte erstochen, weil sie sich über seine rechtsextremen Ansichten lustig und Scherze über Hitlers „Mein Kampf“ gemacht haben soll. Das habe K. derart provoziert, dass er „dann irgendwie beschloss, sie zu töten“, sagte sie aus.
In den Ermittlungen tauchte seine politische Gesinnung aber nicht auf. Die Polizisten fanden in K.s Wohnung zwar einschlägige Literatur, verfolgten diesen Ansatz aber nicht weiter. Im Internet finden sich diverse Lieder von K. alias „Sash Jm“ über Gewalt und Vernichtung und auch Videos mit Remixen von Liedern des rechtsextremen Sängers Frank Rennicker. K. selbst nennt seine Musik „Rechtsrap“. Außerdem soll er engen Kontakt zur rechtsextremen Szene in der Region Hannover haben. Und vor Jahren hat er in Minden einen Libanesen niedergestochen.
Hitler aus Seifenstücken
Im Laufe des Verfahrens hatte bereits ein Mithäftling von K. ausgesagt. K. nenne sich selbst „Maschseemörder“ und habe die Tat gestanden. Der Häftling nannte K. einen „Neonazi“, der aus Seifenstücken Hitler- und Stalin-Köpfe bastle. Den Maschsee soll K. als Ablageort für die Leichenteile gewählt haben, weil die Nationalsozialisten den See angelegt hätten, so der Zeuge.
In der Anklageschrift gegen K. taucht dessen politische Gesinnung nicht auf, bestätigt Oberstaatsanwältin Irene Silinger. Weil sie für die Tat „keine wesentliche Rolle“ spiele. Folgt man aber der ersten Aussage von K.s Ex-Freundin, war das Verhöhnen seiner politischen Einstellung allerdings der Tatauslöser für die Tat. Außerdem gilt die rechte Gesinnung als ein niederer Beweggrund und als solcher müsste er auch im Urteil berücksichtig werden. Wird dieser Kontext im Verfahren ausgeblendet, könnte das für zur Folge haben, da sind sich Beratungsstellen für die Opfer rechter Gewalt einig, dass hier ein mögliches Opfer rechtsextremer Gewalt nicht als solches anerkannt wird.
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