: Mord auf Verlangen
Genf (taz) — Einen spektakulären Todesfall verhandelt derzeit das Genfer Geschworenengericht. Den sechs Angeklagten wird Tötung auf Verlangen vorgeworfen sowie der Versuch, verschiedene Versicherungsgesellschaften um rund elf Millionen Schweizer Franken zu betrügen.
Die wie ein verzwickter Kriminalroman anmutende Affäre begann am 13. Oktober 1988: An jenem Tag wurde der 52jährige Genfer Finanzier und Inhaber eines Treuhandbüros, Rene Ruegg, tot in einem Hotelzimmer in Saanen im Berner Oberland aufgefunden.
Da die Leiche mit Handschellen an das Bett gefesselt war, ging die Polizei zunächst von einem gewöhnlichen Mord aus. Bei ihren Ermittlungen stieß sie jedoch auf zahlreiche Merkwürdigkeiten und Widersprüche. Diese führten schließlich zur Festnahme der Ehefrau des Toten, seines Bankiers sowie seines ehemaligen Geschäftspartners und eines Angestellten im gemeinsamen Treuhandbüro. Als Hauptangeklagter steht vor den Schranken des Gerichtes außerdem der 68jährige Pierre Olivier, ein Bekannter des Opfers, sowie dessen Schwiegersohn.
Laut Anklageschrift hatte der hoch verschuldete Rene Ruegg im Spätsommer 1988 beschlossen, seinem Leben ein Ende zu setzen und den Selbstmord als Mord zu tarnen. Auf diese Weise wollte er erreichen, daß verschiedene Versicherungsgesellschaften, bei denen er Lebensversicherungen über insgesamt elf Millionen Franken abgeschlossen hatte, dieses Geld an seine Frau und Freunde auszahlen. Nach Schweizer Recht sind Lebensversicherungen nur bei Mord, nicht jedoch bei Selbstmord fällig.
Ruegg machte seinen vorbestraften Freund Olivier glauben, er leide unheilbar an Krebs, und bat ihn, gegen ein Entgelt von 450.000 Franken, seinem Leiden ein Ende zu setzen. Olivier hat gestanden, Ruegg eine Spritze mit einer tödlichen Dosis Heroin verabreicht zu haben.
Aufgeflogen war der ganze Schwindel, weil die vorab über den Mord auf Bestellung informierte Ehefrau des Toten zu früh geredet hatte. Sie sollte nach dem Plan ihres Gatten mit 7,5 Millionen Franken den Löwenanteil aus den erschwindelten Versicherungsgeldern erhalten. Doch schon am 13. Oktober, noch bevor die Leiche ihres Gatten in dem Saaner Hotelzimmer gefunden wurde, berichtete sie ihrer Schwiegermutter vom angeblichen Mord.
Der angeklagte Angestellte des Toten war ebenso im voraus in die Selbstmordabsichten seines Chefs eingeweiht wie dessen 74jähriger Geschäftspartner. Dieser versprach, dem gedungenen Mörder nach vollbrachter Tat 200.000 Franken auszuzahlen. Ihm selbst wurde dafür eine Million Franken aus der Versicherungssumme zugesagt. Die restlichen 250.000 Franken sollte der gedungene Mörder vom Bankier des Toten erhalten, damals Leiter der Schweizer Kreditanstaltsfiliale im Genfer Stadtteil Eau Vives. Für diese ungewöhnliche Auszahlung hätte der Bankier selber zwei Millionen Franken einsacken sollen.
Der Anwalt des Hauptangeklagten, der Genfer Advokat Jaques Barrillon, ist auch an der Aufklärung eines anderes spektakulären Todesfalles beteiligt, dem von Uwe Barschel. Nachdem die Genfer Behörden jahrelang nur die Selbstmordversion verfolgen, ermitteln sie inzwischen auf Antrag der — vom Anwalt Jaques Barrillon vertretenen — Familie Barschels auch auf Mord. Auch in diesem Fall geht es nicht zuletzt um die Auszahlung von Versicherungssummen. Andreas Zumach
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