Monti macht den Beamten Beine: Im ineffizienten Apparat aufräumen
Gestärkt durch die Brüsseler Beschlüsse, macht sich Italiens Regierungschef daran, die Verwaltung abzuspecken. Jeder fünfte Führungsposten soll künftig wegfallen.
ROM taz | Die italienische Regierung unter Mario Monti verabschiedete in der Nacht zum Freitag ein einschneidendes Sparpaket mit einem Volumen von 26 Milliarden Euro bis 2014. Stellenstreichungen im öffentlichen Dienst, Schließung zahlreicher Gerichtssitze, Zusammenlegung von Provinzen, Senkung der Beschaffungskosten im Gesundheitsdienst: diesmal geht die Regierung Monti vor allem an die Ausgabenseite, statt erneut Steuern zu erhöhen.
Italien hat sich gegenüber der EU zu dem ehrgeizigen Ziel verpflichtet, im Jahr 2012 die Neuverschuldung auf nur noch 1,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) zurückzuführen. Zugleich aber steckt das Land tief in der Rezession; auch infolge kräftiger Steuererhöhungen ist der private Konsum eingebrochen.
Im Mai 2012 meldete der Einzelhandel Umsätze, die um 7 Prozent unter den Umsätzen von Mai 2011 lagen. Vor diesem Hintergrund erschien die ursprünglich für Herbst geplante erneute Mehrwertsteuererhöhung um weitere 2 Prozentpunkte auf dann 23 Prozent als Manöver, das dem Konsum und der Konjunktur einen weiteren Schlag versetzt und die Abwärtsspirale verstärkt hätte.
Andererseits muss Monti um jeden Preis die Sparziele einhalten, sowohl um seine Verhandlungsposition gegenüber Deutschland zu stärken, als auch um die Finanzmärkte zu beruhigen und den Eindruck zu widerlegen, der anfängliche Elan seiner Regierung sei weitgehend zum Erliegen gekommen.
Hohe Einsparpotentiale
Deshalb entschloss sich das Kabinett jetzt zu strukturellen Einschnitten auf der Ausgabenseite. Im aufgeblähten und in vielen Verwaltungen durch Ineffizienz gekennzeichneten italienischen Staatsapparat gibt es in der Tat hohe Einsparpotenziale.
Denn die Personalpolitik im öffentlichen Dienst war über Jahrzehnte weit stärker durch Klientelinteressen der Parteien als durch Effizienzüberlegungen geprägt. So soll in allen öffentlichen Verwaltungen die Zahl der leitenden Beamten um 20 Prozent, das übrige Personal um 10 Prozent reduziert werden.
Frühpensionierungen der über 60-Jährigen sollen dazu beitragen, schnell zu Resultaten zu kommen. Die Zahl der über 100 Provinzen – in den Augen vieler Experten eine eigentlich überflüssige Institution mit Kompetenzen für die Instandhaltung der Schulgebäude und der Straßen sowie den Umweltschutz – soll durch Zusammenlegung halbiert werden.
Dienstwagenkosten senken
Auch will man zahlreiche kleinere Gerichtssitze schließen. Drastisch sollen auch die Kosten der bei den Italienern verhassten „Auto blu“ – der Dienstwagen, die als Statussymbol auch bei Lokalpolitikern beliebt sind – um 50 Prozent gesenkt werden.
Und so sollen auch Milliarden im Gesundheitswesen eingespart werden, ohne das Versorgungsniveau zu senken. Eine Kostenanalyse hatte ergeben, dass es hier zu teils absurder Verschwendung kommt: dass zum Beispiel Einwegspritzen vom einen Krankenhaus für 3 Cent, vom anderen für 15 Cent eingekauft werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren