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Montagsinterview mit dem Spree-Freak Ralf Steeg"Ich bin ein Flussverbesserer"

Seit sieben Jahren arbeitet Ralf Steeg an seinem Projekt, die Spree wieder zur Badewanne für die Berliner zu machen. Damit soll auch die Stadt wieder mit dem Fluss versöhnt werden.

Rald Steeg am Ufer der Spree Bild: Foto: Amélie Losier
Uwe Rada
Uwe Rada
Interview von Uwe Rada und Uwe Rada

taz: Herr Steeg, die Spree entspringt in …

Ralf Steeg: … Neugersdorf im Oberlausitzer Bergland. Dabei muss man sagen, dass es drei Quellen gibt und auch Kottmar und Ebersbach die Spreequelle für sich in Anspruch nehmen.

Sie fließt durch …

… Bautzen, Cottbus, den Spreewald und in Berlin durch den Müggelsee.

Und mündet …

Ralf Steeg

Während in Berlin die Wasserqualität der Spree das Problem ist, ist es in Brandenburg der niedrige Wasserstand. Zu DDR-Zeiten wurde das Grundwasser aus den Braunkohlegruben in die Spree gepumpt, worauf diese ihr Bett vergrößerte. Heute füllt das Grundwasser die Tagebauseen, in der Spree fließt weniger Wasser im großen Bett. Aus diesem Grund ist die Strömung geringer, was sich auch in Berlin bemerkbar macht. 30 Tage braucht die Spree, um durch die Stadt zu gelangen.

Sein Erweckungserlebnis hatte der 47-jährige Ralf Steeg in der Schweiz. In Bern sah er, wie die Menschen mit ihrem Fluss leben. Damals kam ihm die Idee, aus der Spree wieder einen Badefluss zu machen.

Bis zur Elsenbrücke ist die Spree verhältnismäßig sauber. Doch dann ragen 63 Überlaufrohre in den Fluss. Vor allem bei Starkregen spülen sie auch das Abwasser aus der Mischkanalisation in die Spree. "Spree 2011" sieht vor, Abwassertanks an den Überlaufrohren anzubringen und das Dreckwasser zu einem späteren Zeitpunkt wieder zurückzupumpen.

Spree 2011 ist eines der Berliner Projekte, die auf der Expo 2010 in Schanghai vorgestellt werden.

www.spree2011.de

… bei Spandau in die Havel.

Die Spree besitzt drei Quellen und wie viele Überlaufrohre?

In Berlin sind es genau 63. (lacht) Sitz ich hier bei Günther Jauch?

Noch nicht. Aber vielleicht, wenn Sie uns verraten, wie man zum Spreefreak wird.

Zum Spreefreak wird man, wenn einem die Stadt am Herzen liegt. Im Grunde war das Verhältnis zwischen Berlin und seinem Fluss lange Zeit ein Missstand. Ganz anders dagegen der Rhein. Den haben die Engländer schon im 18. Jahrhundert entdeckt, und auch bei uns wurde er dann zum romantischen Rhein. Die Spree dagegen wurde erst nach der Wende entdeckt.

Auch weil sie mitten durch eine geteilte Stadt floss?

Während der Teilung Berlins ist man über weite Strecken hinweg nicht einmal an die Spree herangekommen. Deshalb hat einen der Fluss auch nicht interessiert.

Welches Verhältnis die Menschen in einer Stadt zu ihrem Fluss haben können, haben Sie persönlich in der Schweiz erfahren.

Das war in Bern. Sie müssen sich das so vorstellen: Wenn die Sonne scheint, trifft man die Stadt am Fluss. Es ist fast wie bei Goethe: Aus dem hohlen finstern Tor dringt ein buntes Gewimmel hervor. Die Berner gehen mit Picknickkörben zur Aare, ziehen sich bis auf die Badehose oder den Bikini aus, wandern anderthalb Kilometer flussaufwärts und stürzen sich dann in die Fluten. Die Aare hat eine irrsinnige Strömung, wie auf einer Carrerabahn rauscht man in ihr durch die Stadt. Kaum sind sie ins Wasser gesprungen, zieht es ihnen auch schon die Füße weg. Und dort, wo sie ihre Klamotten und den Picknickkorb haben, gibt es Haltestangen, an denen sie sich dann abbremsen, damit sie wieder aus dem Wasser kommen.

Klingt etwas anstrengend für eine Mittagspause.

Dann sind sie erst mal geschafft, und plötzlich haben sie total gute Laune. So bringt ein Bad im Fluss auch Ruhe in ein städtisches Getriebe. Stadt und Natur müssen kein Widerspruch sein.

Nun ist die Spree kein Gebirgsfluss, und auch die Geschwindigkeit ist eher Kinderwagen statt Carrera. Was hat Sie dennoch zu der Vision bewogen, dass die Berliner eines Tages in der Spree baden können?

Ich will, dass der Fluss sauberer wird, Baden und das Thema Ressourcenschutz kommen hier zusammen. Es geht um den Umgang mit der Welt, die uns umgibt. Wenn die eines Tages zerstört ist, würden wir verarmen, dann säßen wir nur noch in irgendwelchen Plastikhäusern, schauen uns Werbeclips an - und das wars. Am Anfang von "Spree 2011" stand eine Frage: Kann es sein, dass in einem Land, das wahnsinnig reich ist, in dem es genügend Ingenieure gibt, die die dringenden Probleme lösen können, ein Fluss wie die Spree so vernachlässigt wird?

Klingt weniger konkret als philosophisch.

Ich hab mal einen Bohrkern vom Zürichsee gesehen. Der war zehn Meter lang und ging über die letzten zehntausend Jahre. Neun Meter neunzig waren blendend weiß - und zehn Zentimeter waren pechschwarz. Das war das letzte Jahrhundert. Konkreter lässt sich der Einfluss des Menschen auf die Natur nicht darstellen, oder?

Sie sind von Beruf Gärtner, wurden dann Landschaftsarchitekt, und nun sind Sie gewissermaßen Umweltingenieur.

Ich sehe mich eher als Ressourcenschützer. Ich will die Umwelt nicht schützen, so wie sie da ist. Ich will sie verändern.

Sind Sie ein Weltverbesserer?

Ich bin ein Flussverbesserer.

Sie könnten auch Bücher schreiben, statt Abwassertanks an 63 Überlaufrohre schrauben zu wollen.

Bücher schreiben sollen Leute, die das können. Ich weiß, was ich kann: Tanks konstruieren.

Spree 2011, das ist technisch so einfach wie innovativ. Dreckig ist die Spree, weil bei Starkregen auch die Abwasser aus der Mischkanalisation in die Spree gehen - über jene 63 Überlaufrohre. Dort sollen nun Tanks montiert werden, die das Dreckwasser speichern und später wieder in die Kanalisation zurückpumpen. Auf den Tanks selbst sollen Inseln entstehen, die als Café oder als kleine Parks ein neues Kapitel im Verhältnis zwischen Stadt und Fluss aufschlagen. Das alles haben Sie schon vor sieben Jahren vorgestellt, doch der erste Tank ist immer noch nicht angebracht. Warum?

Wenn ich alle Hindernisse aufzählen würde, die uns unnötigerweise in den Weg gelegt wurden, würden wir noch in sieben Jahren hier sitzen.

Ist die Berliner Verwaltung gerade wieder dabei, ein innovatives Projekt zu versenken?

Mit der Wirtschaftsverwaltung von Harald Wolf kommen wir sehr gut zurecht. Da werden E-Mails innerhalb von 24 Stunden bearbeitet, und die Mitarbeiter führen einen durch den ganzen Paragrafendschungel. Eine solche Unterstützung tut gut. Das Gleiche gilt für die Berliner Wasserbetriebe oder das Technologie Coaching Center.

Von den anderen Verwaltungen bekommen Sie nicht die nötige Unterstützung?

Es liegt nicht nur an den Verwaltungen. Was auch wir nicht wussten: Wenn Sie das Abwasser wieder in die Kanalisation zurückpumpen wollen, dürfen Sie das nicht über das Rohr machen, aus dem der Dreck kommt. Also brauchen Sie ein neues Rohr und damit die Zustimmung des Grundstückseigentümers. Leider hat die Berliner Hafen- und Lagerhausgesellschaft, kurz Behala, das Grundstück, für das wir geplant haben, an einen englischen Immobilienfonds verkauft, der dann pleitegegangen ist. Da hat sich keiner mehr gemeldet, keiner war ansprechbar, und nicht einmal das Geld hat Berlin gesehen.

Und nun?

Nun haben wir uns mit dem Eigentümer eines benachbarten Privatgrundstücks geeinigt. Das alles hat uns mehr als ein ganzes Jahr gekostet, weil die anderen Behörden gesagt haben: Solange ihr das mit den Leitungsrechten nicht geklärt habt, bearbeiten wir eure Anträge nicht. Wir haben die Widerstände, die es gegen das Projekt gibt, unterschätzt.

Wer hat da Widerstand geleistet?

Es waren keine kompletten Abteilungen, es waren immer nur einzelne Personen, die uns behindert haben. Von vielen dieser Vorgänge haben wir erst hinterher erfahren. Oft genug war das Projekt dadurch über Monate blockiert. Immerhin hat der Bund vor einigen Jahren beschlossen, die erste Pilotanlage zu finanzieren.

Soll heißen, mit dem Baden in der Spree wird es 2011 nichts werden.

Wir wollen noch in diesem Jahr beginnen und 2010 die erste Anlage fertigstellen. Damit die Spree im Osthafen sauber genug ist, brauchen wir dann noch eine zweite Anlage. Immerhin wissen wir aber schon jetzt, was auf die 900 Quadratmeter große Insel kommen soll: ein Solarbootverleih.

In den sieben Jahren, in denen Sie inzwischen an "Spree 2011" arbeiten, hat sich der Osthafen sehr verändert. Zum Guten? Oder zum Schlechten?

Zum Schlechten.

Warum?

Vor Kurzem war ich auf der Hoppetosse, dem Restaurantschiff an der Arena. Dort war es proppenvoll. In der Arena waren 1.000 Leute, auch am Badeschiff war kaum mehr Platz für ein Handtuch. Nur gegenüber, da war keiner. Gähnende Leere. Da frage ich mich, warum man nicht einfach aus der anderthalb Kilometer langen Spundwand, die das Ufer am Osthafen bildet, eine Treppe macht, die zur Spree hinabführt. Im Regierungsviertel hat man das auch gemacht. Insgesamt wird das Potenzial des Osthafens bis heute nicht erkannt.

Ist das ein Vorgeschmack auf die sterile Bürowelt der Mediaspree?

Das Problem ist gar nicht so sehr Mediaspree. Das Problem sind die Vorgaben der Politik, es sind die Bebauungspläne. Die Politik hätte viel mehr Spielraum, wenn sie nur wollte. Warum zum Beispiel gibt es rund um den Osthafen so wenige Gestaltungswettbewerbe?

Können Sie das Anliegen der Initiative "Mediaspree versenken" verstehen?

Die Grundforderung, die Spreeufer für alle Berliner zu öffnen und zu erhalten, finde ich super. Diese Ufer zählen zu den wertvollsten Stadträumen Berlins. Schauen Sie nach Frankfurt am Main. Da hat es schon vor 30 Jahren eine Rückgewinnung der Mainufer für die Kultur gegeben. Das Museumsufer wird angenommen, die Leute sind stolz darauf. Das Gleiche hätte auch in Berlin passieren können. Leider hatte Berlin für die Spreeufer keine Vision.

Vielleicht ist ja auch Ihre Initiative Teil nicht nur der Lösung, sondern auch des Problems. Überlegen Sie nicht manchmal, ob Sie mit Spree 2011 nicht auch dazu beitragen, den Osthafen mehr noch als bisher zum Eventort zu machen? Dass Ihre Vision, die Versöhnung von Stadt und Natur, in den Hintergrund geraten könnte?

Bei Sachen, die gut sind, ist es immer die Frage, in welche Richtung sich diese später entwickeln. Baden an sich ist ja kein Event. Baden ist etwas unglaublich Schönes. Da kann man viel drüber nachdenken, aber in dem Moment, in dem man ins Wasser springt, merkt man, wie gut das tut. Warum sollte es am Anliegen, die Spree zu reinigen, etwas Falsches geben? Das schließt nicht aus, bestimmte Entwicklungen im Umfeld immer wieder zu korrigieren.

Zum Beispiel?

Für mich ist zum Beispiel klar, dass unsere Inseln öffentlich zugänglich sein müssen.

Sie sind 1961 geboren und als 18-Jähriger 1979 nach Westberlin gekommen. Wie war Ihre erste Begegnung mit der Spree?

Die bestand darin, dass ich die Spree überhaupt nicht wahrgenommen habe. Wie wahrscheinlich sehr viele Berliner bin ich da drübergefahren, ohne sie wahrzunehmen. Sie war nicht existent. Da war der Landwehrkanal präsenter.

Und heute. Was ist Ihr Lieblingsort an der Spree?

Schon die Arena, da hatte ich lange mein Büro. Ich bin von dort immer runter zum Fluss gegangen. Ich mag auch das Badeschiff. Da ist man auf dem Wasser. Auch an der Ostsee ist das Erste, was man macht: Man rennt auf die Seebrücke und schaut aufs Meer. Das gibt es eigentlich selten in Berlin, auf dem Fluss zu sein. Da steht man immer nur am Ufer.

Inzwischen ist die Spree zu Ihrer Lebensaufgabe geworden.

Zurzeit schon, aber ich will es nicht bis ans Ende meines Lebens machen. Es soll ja auch mal fertig sein. Ich möchte nicht der Methusalem der Spree werden. Bloß kein Roman "Der alte Mann und die Spree".

Aber es bringt auch Renommee.

Die Einladungen zur Teilnahme im Deutschen Pavillon auf der Architekturbiennale Venedig 2008 oder an der nächsten Expo in Schanghai sind Auszeichnungen, über die wir uns natürlich sehr gefreut haben.

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