: „Monikas Seehund-Kasse“
■ ...Paulchen Panther, pianistische Pannen und Porzellan-Puppen entdeckte der frierende taz-Reporter am letzten Tag des Bremer Sommers
Schon von weitem scheppert einem die Blech-Sektion entgegen. Menschenmassen futtern sich durch die „Internationale Küche“. Andere lassen Paella, Krakauer und Hot-Dogs links und rechts liegen, um zu sehen, wer da den „rosa-roten Panther“ im Bigband-Gewand über den Marktplatz swingen läßt.
Auf der Bühne kämpft der Pianist des „Jazz-Orchestra“ mit seinen Notenblättern, die wegen des Windes trotz Wäscheklammern nicht zu bändigen sind. Aber die pianistischen Aussetzer fallen kaum auf, die übrigen 19 Herren im weißen Blouson blasen, zupfen und trommeln laut genug, wenn auch ein wenig lustlos. Und: Wer erwartet schon ein heißes Konzert von frierenden Musikern?
Ein Schild mit der Aufschrift „Finland“ links hinter der Bühne scheint nicht nur auf einen Stand, sondern auch auf die Außentemperaturen aufmerksam zu machen. So hatten bei den mit Regenschirmen und Pelzmänteln bewaffneten Sonntags -BummlerInnen auch eher hot-dogs, Kaffee und Schnaps Hochkonjunktur.
Die Eisverkäuferinnen hingegen blieben auf ihren frostigen Genüssen sitzen.
Wer aber nach einem kurzen Rundgang über den Marktplatz frierend nach Hause gegangen ist, hat dennoch etwas verpaßt. Denn am Wochenende fand zum Abschluß des „Internationalen Bre
mer Sommers“ auf dem Ansgari-Kirchhof das „erste Bremer Kunsthandwerker-Festival“ statt. Wer ihn besuchte, spürte gleich bei den ersten Ständen eine andere, gemütlichere Stimmung als auf dem Marktplatz. Dafür sorgte zweifellos auch ein bärtiger, freakiger Straßenmusiker,
der sich wohl nicht zufällig dort - statt am Roland zum Beispiel - mit seinem Schäferhund niedergelassen hatte. Singend, Gitarre und Flöte spielend, gelang es ihm, den PassantInnen etliche Münzen aus den Portemonnaies zu locken. An einem Stand direkt neben ihm surrte eine Schleifmaschine, mit der Schmuck hergestellt wurde. Doch nicht nur hier, sondern an etlichen Ständen konnten die BesucherInnen den KunsthandwerkerInnen über die Schultern blicken: Auf einem Amboß wurden kunstvolle Schnallen in Ledergürtel genietet, es wurde gesponnen und gewebt. An anderen Ständen waren Schmuck-Marionetten aus Porzellan, gebatikte Gemälde, Holzspielzeug, kunstvolle Töpferwaren, zarte Aquarelle und Musik-Spiel-Zeug zu bewundern und - zu kaufen.
Einer der vielen Porzellanwaren-Stände läßt mich stutzen: Da liegen doch Dutzende fröhlich und munter dreinblickender, ca. zehn Zentimeter großer Keramik-Seehunde, bäuchlings auf dem Verkaufs-Tisch, dahinter ein großes, weißes Keramik -Sparschwein und eine Tafel mit der Aufschrift „Monikas Seehund-Krankenkasse... denn Seehunde haben keine Krankenkasse“. Als die Verkäuferin meine verdutzten Blicke bemerkt, erklärt sie mir, daß 2,50 Mark von den 9,50 pro Seehündchen sofort ins Sparschwein kommen und später an die Seehund-Quarantäne-Station auf der Insel Büsum gespendet werden. Aha! Beim Weggehen sehen ich, daß über dem Tisch zudem noch ein Schild mit der Aufschrift „Helfen Sie uns!“ baumelt. Wem das wohl mehr hilft?
RaS
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