■ Moneta: Wer war Millionär?
Genau ein Jahr ist es her. Mal ehrlich: Wollten Sie auch den todsicheren Gewinn? Drei Tage schimpfte das deutsche Volk auf der Titelseite der Bild über die üblen Machenschaften bei der Zuteilung der Infineon-Aktien. Denn nur jede zwan-zigste Order wurde bedient. Sie können die einst so heiß begehrten Papiere jetzt kaufen. Keine Lust mehr? Sie kosten jetzt nicht mehr als an jenem denkwürdigen Tag im März 2000. Oder haben Sie bei 90 Euro zugeschlagen und trauern aktuell um 60 Prozent Buchverlust? Trösten Sie sich. Die „Volksaktie“ Telekom hat sich seitdem geviertelt. Aber alles ist relativ. Die Börsenlieblinge EM-TV und Intershop müssten gar eine Performance von über 2000 Prozent aufweisen, wollten diese Aktien noch einmal einen Kurs auf Vorjahresniveau erreichen.
Aus der Traum von der ersten Million. Nicht in sieben Jahren und schon gar nicht nächste Woche. Schau ich auf die Börsen in der Nacht, bin ich um den Schlaf gebracht. Ich gebe zu, recht frei zitiert, aber wohl den Nerv des Volkes treffend. Wie ein manisch-depressiver Patient schwingt die Börse zwischen einem überschwänglichen Hochjauchzen in ein abgrundtiefes, schwarzes Loch und wieder hinauf.
Menschen, die letztes Jahr aus ihren Lebensversicherungen ausstiegen, um das Geld in Wachstumsfonds zu investieren, können heute nicht begreifen, dass ihre frisch erworbenen Zertifikate tief rote Zahlen ausweisen. Und überlegen zu verkaufen! Haben sie denn wirklich nie gehört, dass Aktien und Aktienfonds – eben wegen dieser Schwankungen – eine Langfristanlage sein sollten?
Vor genau einem Jahr schrieb ich in der Hamburger Rundschau: „Manchmal träume ich von einem saftigen Crash. So richtig schön blutig. (...) Nur deshalb, damit nicht so viele Unschuldige draufgehen. (...) All jene, die letztes Jahr (also 1999) nicht dabei waren, hätten dann faire Einstiegskurse und die Chance, langfristig 10 bis 15 Prozent pro Jahr zu verdienen.“Die Chance haben sie jetzt. Ich hoffe nur, sie nutzen sie auch.
Susanne Kazemieh
Hinweis:Die Kolumnistin ist Finanzmaklerin und Gründerin der FrauenFinanzGruppe, Schrammsweg 15, 20249 HH, Tel.: 4607 3337, eMail: Info@FrauenFinanzGruppe.de
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