piwik no script img

Mohr-Lüllmann (CDU) zu ihrer Spitzenkandidatur in Bremen"So einfach ist die Welt"

Die Hamburger Wahl hat mit Bremen wenig zu tun, sagt die dortige CDU-Spitzenkandidatin Rita Mohr-Lüllmann - und erklärt, wie sie ein Debakel verhindern will.

"Kein irrationales Wohlfühlgefühl": Rita Mohr-Lüllmann. Bild: Jan Zier
Interview von Benno Schirrmeister

taz: Frau Mohr-Lüllmann, macht Ihnen die Hamburg-Wahl Mut?

Rita Mohr-Lüllmann: Mut kann man nicht sagen. Das war ja kein hervorragendes Ergebnis. Es hat aber mit Bremen wenig zu tun.

Es zeigt aber: Eine Partei kann aus der Opposition heraus über 14 Prozent dazugewinnen …

In Hamburg kamen für die CDU viele ungünstige Umstände zusammen: Nach Ole von Beusts Abschied musste sich Christoph Ahlhaus dort erstmal bekannt machen. Es gab die Nordbank-Krise, Senatoren-Rücktritte und den Koalitionsbruch der Grünen. Da war eine große Unruhe.

Anders als im Bremer Senat?

Mag sein, dass die Bürger in Hamburg mit der Regierung unzufriedener waren, als hier. Ich habe aber noch genug Zeit, den Menschen zu begegnen und die Fehlentwicklungen nach 65 Jahren SPD-Politik zu verdeutlichen.

Im Interview: Rita Mohr-Lüllmann

RITA MOHR-LüLLMANN 53, promovierte Pharmazeutin, leitet das von ihr gegründete Institut für pharmazeutische Analytik. Sie ist seit 2001 Mitglied der CDU und seit 2003 Abgeordnete der Bremischen Bürgerschaft. Zudem ist sie Vizepräsidentin der Landesapothekenkammer und stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft und gehört dem Aufsichtsrat des katholischen Sozialwerks Caritas im Land Bremen an.

Und sich bekannt zu machen?

Die Ausgangslage ist einfach so: Ich hatte bislang kein Amt in der Stadt. Deswegen gebe ich mir viel Mühe, persönliche Begegnungen zu organisieren: Ich bin in dieser Stadt umtriebig unterwegs und mit den Menschen im Dialog. Ich leiste da Überzeugungsarbeit.

Ist die Ansage, Bürgermeisterin werden zu wollen, dafür nicht zu realitätsfern?

Das ist Ihre persönliche Wahrnehmung.

Umfragen sehen die CDU unter den 26 Prozent von 2007!

Ohne ein Ziel zu formulieren, kommt man nirgends an. Mein Ziel ist das Rathaus. Ich bewerbe mich um das Bürgermeisteramt und mache den Wählern mal ein anderes Angebot.

Welches?

Also ich bin eine selbstständige Frau, ich liebe dieses Land, ich habe meine Kinder hier groß gezogen. Ich finde, dieses Land kann mehr, als die Armut vor sich herzutragen. Wir haben hier die meisten Kinder in Armut, die meisten Firmen- und Privatinsolvenzen, die höchste Pro-Kopf-Verschuldung, die meisten Wohnungseinbrüche in Deutschland. Das kann besser sein. Und das muss besser werden.

Aber wie?

Wir brauchen Sofort-Maßnahmen. Wenn Bremen monatlich die unvorstellbare Summe von 100 Millionen Euro an Schulden neu aufnimmt - das geht einfach nicht. Da gibt es Strukturen, die hinterfragt werden müssen: Sie haben in diesem Land bei Einnahmen von 3,2 Milliarden über zwei Milliarden Euro Personalkosten und damit im Ländervergleich die höchsten Personalausgaben pro Einwohner …

… an denen Sofortmaßnahmen nichts ändern können.

Natürlich geht das! Das muss man nur wollen. Sie können Notlagentarife machen.

Also machen Sie Wahlkampf indem Sie den Leuten weniger Lohn versprechen?

Die Haushaltslage ist kein sympathisches Thema. Aber wenn wir nicht die Zwangslage erkennen, in der sich Bremen befindet, geht hier alles den Bach runter. Ich kann nicht erkennen, dass vom Senat die nötigen Maßnahmen auch nur angedacht werden, um etwas zu ändern.

Rot-Grün hat doch die Investitionsquote halbiert?

Das ist die Gratwanderung: Investitionen brauche ich, um Einnahmen zu bekommen.

Bloß bräuchten Sie Investitionen, die Geld einspielen?

Sie bringen es auf den Punkt! Sie müssen klar auf Wertschöpfung setzen. Nur ein Beispiel: Würden Sie drei Ampelanlagen für 500.000 Euro auf die Kurfürstenallee bauen - oder das Geld in Kindergärten oder Ganztagsschulplätze stecken?

Retten Sie Bremen durch den Verzicht auf drei Ampeln?

Nein, darum geht es nicht. Hier geht es um die Prioritätensetzung. Es ist Aufgabe des Senats, sich zu fragen: was hat Bedeutung? Diese Ampelanlagen sind nicht wichtig für uns, das ist keine Wertschöpfung. Wertschöpfung findet in Bremen in der Hafenwirtschaft statt oder in der Windindustrie. Es ist auch nicht möglich, Risikobetrieben wie den kommunalen Kliniken 300 Millionen Euro Kredite einzuräumen.

Die wollen Sie privatisieren?

Das wäre ein Missverständnis. Wir verstehen wahrscheinlich auch nicht dasselbe unter Privatisierung. Sie denken da wahrscheinlich an Rhön, Sana und Asklepios …

Sie nicht?

Das wäre nicht die erste Option für mich. Vielleicht die allerletzte. Aber: Ich muss diese Kliniken nicht verkaufen. Die könnten wirtschaftlich arbeiten - wenn sie beweglich wären. In einem Public Private Partnership-Modell könnte man die Teile privatisieren, die nichts mit der medizinischen Leistung zu tun haben.

Wobei das Risiko bei PPP oft öffentlich bleibt - daher die Rekommunalisierungswelle …

… ach, die bedient doch bloß ein irreales Wohlfühlgefühl. Ich bin dagegen, irgend etwas auf Pump zu kaufen. Und wenn Sie sagen: Das lohnt sich wegen der Dividende, sage ich: Wenn ich kein Geld habe, kann ich auch nichts kaufen.

Und ohne Wohlfühlfaktor keine Wahl gewinnen.

Ein irrationales Wohlfühlgefühl wird es mit mir nicht geben. Sehen Sie, ich habe ein eigenes Unternehmen. Da muss ich für meine Kunden sorgen. Wenn die nicht mit mir zufrieden sind, gehen die woanders hin. So einfach ist die Welt. Ich muss mich also unheimlich bemühen, um meine Kunden. Genauso bemühe ich mich um die Bürger. Und entweder, das wird honoriert, …

… oder?

Oder der Bürger sagt, es ist wunderbar, wie es ist. Dann bleibt Herr Böhrnsen bis zur Rente trocken sitzen in seinem Rathaus. Auch dann werde ich mit dem Wahlergebnis umzugehen wissen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

2 Kommentare

 / 
  • L
    Ludwig

    Ahhhhhhhhhhhhhhhhh, sooooooooooooooo einfach ist die Welt also!

    Aber da hat Frau Mohr-Lüllmann doch eine klitzkleine Tatsache bei der Aufzählung der Negativaspekte bremens doch irgendwie vergessen: Bremen hat auch die höchste Leiharbeiter-Quote!

    Absicht oder hat sie bei der Viezahl von Negativaspekten einfach nur den Überblick verloren, passiert ja bei konservativen Politgrößen in letzter Zeit offenbar häufiger.

  • H
    hopfen

    "In einem Public Private Partnership-Modell könnte man die Teile privatisieren, die nichts mit der medizinischen Leistung zu tun haben."

     

    Man Privatisiert die Gewinne und sozialisiert die Kosten und Risiken...hat doch auch überall sonst so gut geklappt...