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Möllemann im Himmel"Ha! Mich kriegt ihr nicht!"

Kommentar von Arno Frank

Auf der flauschig-freiheitlichen FPD-Wolke, reserviert für verdiente Liberale, hockt am Rande des Abgrunds Jürgen W. Möllemann und zupft auf seiner Harfe...

Jürgen W. Möllemann bei einem seiner zahlreichen Fallschirmsprünge Bild: reuters

A uf der flauschig-freiheitlichen FPD-Wolke, reserviert für verdiente Liberale, hockt am Rande des Abgrunds Jürgen W. Möllemann ( 2003) und zupft gedankenverloren auf seiner Harfe. Ihm nähert sich, nachdenklich in einer sehr bunten Zeitung blätternd …

Theodor Heuss ( 1963): Saaag mal, Jürgen, hast du heute schon in die Bild geschaut?

Jürgen W. Möllemann (müde): Mein Abo ist vor vier Jahren abgelaufen, warum? Hat er wieder was Dummes angestellt, der Westerwelle?

Theodor Heuss (altersmilde): Diesmal geht es um etwas Dummes, das du angestellt haben sollst, lieber Jürgen.

Jürgen W. Möllemann (aufbrausend): Ja klar, wie früher! Wenns klappt, war es die Partei. Und wenn irgendwas schiefgeht, wars der Möllemann! Was kochen sie denn diesmal auf? Die Briefbogenaffäre?

Ignaz Bubis ( 1999): Jürgen, Jürgen, Mannomann, du änderst dich wohl nie, was? Muss ich dich wirklich daran erinnern, dass du mal von einem israelischen "Vernichtungskrieg" gegen die Palästinenser gesprochen hast?

Jürgen W. Möllemann (sachlich): Nein, ich erinnere mich noch genau! Die notwendige öffentliche Diskussion zu diesem Thema ist in Deutschland damals leider von der zionistischen Lobby verhindert worden.

Ignaz Bubis (wendet sich ab und schlurft seufzend weiter): Du lernst es nicht mehr. Ihr lernt es alle nicht mehr. Euch ist nicht zu helfen, ihr Arschgeigen …

Erich Mende ( 1998): Ach Gottchen, welche Laus ist denn dem Ignaz über die Leber gelaufen? Jürgen, warst du das? Du sollst ihn doch nicht dauernd triezen!

Theodor Heuss (zeigt Mende die Zeitung): Da steht, dass unser Jürgen hier Selbstmord begangen hat, als er damals mit dem Fallschirm abgestürzt ist. Da ist nämlich ein Video aufgetaucht.

Wolfgang Mischnick ( 2002): Wie? Was? Die FDP in der Presse? Wahnsinn!Hat irgendwer meine Lesebrille gesehen?

Erich Mende (liest vor): "Die Maschine … schraubt sich auf 4.100 Meter Sprunghöhe. Möllemann sieht immer wieder nervös aus dem Fenster. Er wirkt entschlossen, als habe er etwas vor."

Jürgen W. Möllemann (geduldig): Ich hatte vor, mir das Leben zu nehmen. Wie hätte ich denn sonst aus dem Fenster gucken sollen? Winkend? (winkt)

Theodor Heuss (streng): Selbstmord? Ernste Sache. Gerade hier oben im Himmel wird das ja gar nicht gerne gesehen.

Wolfgang Mischnick (jetzt mit Lesebrille, liest halblaut vor): "Tatsächlich sprachen die politischen Umstände schon damals für Selbstmord: Nach monatelangem Streit um ein anti-israelisches Flugblatt und illegal gestückelte Parteispenden" und so weiter und so weiter …

Günther Rexrodt ( 2004): Wenn ich die Herren darauf aufmerksam machen dürfte, dass es am Ende mir oblag, die finanziellen Verbindungen von Jürgen Möllemann im Rahmen der "Flugblatt-Affäre" aufzuklären. Es ging auch um Betrug! Um Steuerhinterziehung! Um Untreue!

Wolfgang Mischnick (versonnen): Untreue? In der FDP? Das gabs zuletzt 1982 …

Friedrich Naumann ( 1919): Effdehpeh? Was ist das?

Jürgen W. Möllemann (patzig): So heißt heute der intrigante Sauhaufen, verehrter Herr Geheimrat Naumann, den Sie einst unter dem Namen Deutsche Demokratische Partei (DDP) zu gründen halfen.

Theodor Heuss (gekränkt): Na, na, na, nimm mal den Mund nicht so voll. Wenn ich das richtig sehe, dann hat der Bundestag sogar kurz vor deinem Tod deine Immunität als Abgeordneter aufgehoben. War das der Grund - die Angst vor Strafverfolgung, Knast, Schande …

Jürgen W. Möllemann (anspielungsreich): Vielleicht, lieber Theodor, vielleicht. Aber klar: Andere Leute, lieber Theodor, unterschreiben im Reichstag sogar Ermächtigungsgesetze, ganz ohne Gewissensbisse, stimmts? Eifersucht, Feigheit, Dummheit und Trägheit großer Teile der Parteiführung haben mich ins Grab gebracht!

Thomas Dehler ( 1997): Entschuldigen Sie, wenn ich mich als einer der Väter des Grundgesetzes einmische. Wir sind doch alle Liberale, das sollten wir nicht vergessen! Noch einmal: Wir sind die Hüter des richtigen Gedankens!

Jürgen W. Möllemann: Genau! Und mir haben wir unsere größten Erfolge zu verdanken!

Erich Mende (grübelnd): War nicht ich es, der bei der Bundestagswahl 1961 knapp 13 Prozent für die FDP erreicht hat? Das beste Ergebnis aller Zeiten?

Friedrich Naumann (verwirrt): Bun? Destag? Swahl?

Rudolf Augstein ( 2002, kommt atemlos angerannt): Ey, ihr Flaschen! Habt ihr auch schon das investigative Möllemann-Video auf meiner informativen Webseite gesehen?

Jürgen W. Möllemann: Spiegel Online? Was zum Teufel …?

Es blitzt, donnert und kracht!

Mephisto: Hallihallo! Ich bin ein Teil von jener Kraft, die stets die Freiheit will und doch nur Unfug schafft! Altes FDP-Mitglied übrigens! Und ich bin hier, weil ich mich um den Jürgen kümmern muss. Wie der Herr Heuss schon sagte: Selbstmörder haben hier oben nichts verloren …

Jürgen W. Möllemann (kurzentschlossen): Ha! Mich kriegt ihr nicht! (er zögert, pustet die Backen auf, springt von der Wolke)

Günther Rexrodt (hinterherschauend): Nun ist der Fall wohl endgültig abgeschlossen.

Mephisto: Da kennt ihr mich aber schlecht. Seht nur, dort! Jetzt geht sein Fallschirm auf …

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Inlandskorrespondent
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6 Kommentare

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  • T
    Tim

    Wunderbar, dankeschön!

  • F
    Faust

    Eine wundervolle Geschichte, geistreich, herrlich. Um mit den Worten von Harald Schmid zu sprechen (sinngemäß):

    Man muss nur lang genug warten, dann lässt sich über jede Abscheulichkeit schmunzeln. Recht hat er.

  • S
    Sblix

    Nun, wollen wir hoffen, das kein Angehöriger J.W.Möllemanns diese Zeilen liest. Weder bissig noch echte Satire, in der Geschmacklosigkeit höchstens von der 'Titanic' zu überbieten.

  • M
    Mr.Sir

    Grenzenlose Geschmacklosigkeit!

  • M
    mic

    Danke für diesen ersten konstruktiven Beitrag! Ich bin ganz sicher, er hätte auch dem Hauptakteur der aktuellen "Aufregung" gefallen...

  • WP
    Wolfgang Prevot

    Diesen Artikel finde ich ein wahres Meisterwerk. Da freue ich mich, so etwas mit meinem Abo zu unterstützen