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Möglicherweise sehr kalt

Eva Hosemann. Foto: Lutz Schelhorn

Von unserer Kontext-Redaktion↓

„Der Innenminister“ – und damit meint er sich selbst – „ist jeden Tag gefordert.“ Das hat Thomas Strobl (CDU) dem SWR jüngst bei einer Schifffahrt über den Neckar anvertraut, und, um möglichen Sorgen präventiv zu begegnen, noch ergänzt: „Fünf simultane schwere Krisen im Land“ hin oder her: „Wir werden nicht müde, Gutes zu tun.“ Sagt er und meint damit schon wieder sich selbst. Auf Bundesebene ist Strobl zufolge jetzt dringend ein Energie­gipfel notwendig, um ein Konzept zu entwickeln, „wie wir durch diesen möglicherweise sehr kalten und sehr schwierigen Winter kommen“. Für ihn geht es jetzt aber erstmal in den Urlaub, „wie seit 30 Jahren an die Nordsee und ich freu mich schon“.

Das Lächeln hat Baden-Württembergs stellvertretender Ministerpräsident noch nicht verlernt, zumindest dort nicht, wo eine Kamera bereitsteht. Wenngleich er einräumt: „Das braucht ja keine Socke. Das ist schon eine schwierige Situation für mich.“ Was laut Strobl keine Socke braucht, ist der Untersuchungsausschuss, der Strobls Verhalten prüfen soll, nachdem er mutmaßlich rechtswidrig ein Anwaltsschreiben an den Journalisten Franz F. von den „Stuttgarter Nachrichten“ durchgestochen und später Ermittlungen gegen sein Ministerium untersagt haben soll. Weil er Rücktrittsforderungen aus der Opposition aber schon seit fünf Jahren gewohnt sei, hat er sich vorgenommen, gelassen zu bleiben.

Den weniger gelassenen Strobl gibt es zu beobachten, wenn hilfesuchende Menschen Asyl erbitten. „In Baden-Württemberg wird es keine rechtsfreien Räume geben“, polterte er, nachdem sich ein Geflüchteter in Ellwangen 2018 nicht ohne Gegenwehr abschieben lassen wollte und viele Medien einen „Asyl-Aufstand“ witterten. „Rechtsstaat und Polizei setzen sich durch, nicht der Mob!“, beteuerte Strobl später – bis ein Gericht nicht das Verhalten des Geflüchteten, sondern den Polizeieinsatz gegen sie als rechtswidrig wertete.

Doch wenn es um Schutzsuchende geht, hat die Rechtsfreiheit offenbar ein paar Freiräume. Nicht nur an der griechischen Grenze, wo Frontex die illegalen Pushbacks einer Küstenwache kofinanziert, die dadurch Flüchtende in Lebensgefahr bringt. Auch in Baden-Württemberg, wo Flüchtlingsunterkünfte ihre Insassen mit illegalen Hausordnungen schikanieren und Menschen rechtswidrig abgeschoben werden.

Da passt nur zu gut ins Bild, was neue Erkenntnisse zutage fördern: Die Landesregierung beauftragt für Abschiebungen auf den Balkan einen Dienstleister, der sich zu zwei Dritteln im Besitz der berüchtigten TIM-Gruppe befindet. Der US-Botschafter James Pardew hatte diese einmal als „neue Führungsmacht in der organisierten Kriminalität Bulgariens“ ausgewiesen. Und wo Strobl sich doch sonst so gern als Kämpfer für Recht und Ordnung präsentiert, schweigt sein Innen­ministerium auf die Frage, was es mit dieser Zusammenarbeit auf sich hat.

Neues Format: „Eva Hosemann liest Kontext“

Wetterer Peter Grohmann und Interviewer Stefan Siller bekommen Gesellschaft: Von jetzt an einmal im Monat liest Eva Hosemann einen Kontext-Artikel ein. Mit ihrer markanten Stimme verleiht sie dem geschriebenen Wort eine neue Dimen­sion. Damit hat die Schauspielerin, Regisseurin und Intendantin Erfahrung. Und zwar nicht nur auf der Bühne oder wie derzeit als künstlerische Leiterin der Burgfestspiele Jagsthausen.

Wenn die Endersbacher Reportageagentur Zeitenspiegel jährlich die Preis­trä­ge­r:in­nen des Hansel-Mieth-Preises kürt, liest Eva Hosemann immer wieder die ausgezeichneten Reportagen. Es soll Jour­na­lis­t:in­nen geben, die sich diese Auszeichnung auch deshalb wünschen, damit sie einmal mit dieser rauen Rauchstimme gelesen werden, die aus guten Texten hervorragende macht.

Kon­text:­Wo­chen­zei­tung ist Hosemann seit Jahren verbunden. Gleich zu Beginn diskutierte sie mit im Kontext-Beirat. Dort hat die damalige Rampe-Intendantin ihre Erfahrungen mit einem kleinen Budget, ihr großes Netzwerk von Förderern und ihre Ideen für gemeinsame Veranstaltungen eingespeist. Wir freuen uns, dass sie im 11. Kontext-Jahr wieder dabei ist. Hören Sie rein:

www.kontextwochenzeitung.de

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