Dokumentation: „Möge aus meinem Rücktritt Gutes wachsen“
■ Heitmanns Erklärung ist ein Appell an die anderen Kandidaten zum Rückzug zugunsten Richard Schröders
„Ich habe mich entschlossen, von der Kandidatur für das Amt des Bundespräsidenten zurückzutreten.
Ich habe mich dazu entschlossen, um
– erstens den Parteien und ihren Kandidaten einen neuen Ansatzpunkt für die Suche nach einem gemeinsamen Kandidaten zu geben, und
– zweitens den Grundgedanken, das höchste Staatsamt an einen Ostdeutschen zu vergeben, zu erhalten.
Dieser Grundgedanke ist richtig und darf nicht in den Hintergrund treten. Um es ganz deutlich zu sagen: Ich trete nicht zurück zugunsten eines Kandidaten aus Westdeutschland. Vielmehr schlage ich als gemeinsamen Kandidaten Richard Schröder vor.
Ich appelliere
– an Johannes Rau, die Größe zu besitzen, zugunsten seines ostdeutschen Parteifreundes von der Kandidatur zurückzutreten; denn gegen Johannes Rau wird – wie wir wissen – Richard Schröder nicht zu gewinnen sein;
– an Richard Schröder, sich für eine Kandidatur zur Verfügung zu stellen;
– an meine Partei und die CSU, die Größe zu besitzen, auf Richard Schröder zuzugehen, auch wenn er der SPD angehört; er entspricht den Kriterien, die die CDU für die Kandidatur eines Ostdeutschen aufgestellt hat;
– an Hildegard Hamm-Brücher und Jens Reich, zugunsten eines gemeinsamen Kandidaten Richard Schröder ihre Kandidaturen zurückzuziehen;
– an alle Parteien, sich im Interesse unseres Landes, vor dem schwerwiegendere Probleme liegen als die Wahl des Bundespräsidenten, und im Interesse der inneren Einheit unseres Volkes auf einen gemeinsamen Kandidaten Richard Schröder zu einigen.
Ich weiß, daß ich mit meinem Rücktritt viele Menschen in unserem Land enttäusche, und ich bitte sie herzlich um Verständnis und um Verzeihung. Ich bin zu der Überzeugung gekommen, daß aus der Art und Weise der um meine Person geführten Debatte nichts Gutes wachsen kann.
Ich danke aufrichtig für die Ehre und das Vertrauen, die es bedeutet, ein solches Amt angetragen zu bekommen. (...)
Ganz besonders danke ich aber den unzähligen Bürgerinnen und Bürgern, die mir Zuspruch, Ermutigung und Zustimmung in Wort und Schrift und durch Gesten zukommen ließen. Das wird mich auf meinem Weg begleiten und wiegt vieles an Belastung, Diffamierung und Enttäuschung auf.
Möge aus meinem Rücktritt Gutes für unser Vaterland wachsen.
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