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Moderne Ende einer Verbannung: Die sagenhafte Kunstsammlung der Farah Diba ist im Iran wieder zu sehen – bald kommt sie nach EuropaTeheran hungert nach Kunst

von Marina Forti

Eine paar junge Leute sitzen auf dem Boden, Zeichenblöcke auf den Knien. Ihre Blicke wandern hin und her zwischen dem Papier und einem berühmten Bild von Jackson Pollock: „Mural on Indian Red Ground“aus dem Jahr 1950. Daneben sieht man weitere Gruppen. Sie studieren einen Mark Rothko. Wir sind im Teheraner Museum of Contemporary Arts (TMoCA), im Zentrum der iranischen Hauptstadt. Die Bilder gehören zum Bestand des Museums. Und doch ist es ein besonderer Augenblick, hier junge Menschen in sie vertieft und sich mit ihnen auseinandersetzen zu sehen: Denn seit vielen Jahren wurden sie nicht mehr öffentlich gezeigt.

Äußerer Anlass dafür, dass sie nun zu sehen sind, ist eine Ausstellung der iranischen Künstlerin Farideh Lashai, die die Kunstszene ihres Landes von den 1960er Jahren bis zu ihrem frühen Tod 2013 geprägt hat. Das erste Mal seit wenigstens einem Jahrzehnt widmet sich das ­TMoCA damit einer so ehrgeizig angelegten Werkschau einer iranischen Künstlerin; und was die Sache noch bemerkenswerter macht: Kurator ist ein Ausländer, der Italiener Germano Celant, der dann auch die Idee hatte, ein Dutzend Gemälde aus der Sammlung des Museums in die Schau zu integrieren. Celant sagt, er wolle damit die Einflüsse verdeutlichen, die Farideh La­shai aufgenommen habe. Für das Teheraner Publikum ist es somit eine doppelte Retrospektive: die auf eine bekannte und verehrte Künstlerin – und auf Pollock, Rothko, Twombly. Kurz: Es ist ein einzigartiger Moment.

Die Sammlung des Museums ist dabei in der Tat mehr als berühmt – sie ist sagenumwoben. Entstanden ist sie in den 1970er Jahren unter dem Regime des Schahs. Seine zweite Frau, Farah Diba, war kunstbegeistert, und die reichen Öleinnahmen ermöglichten üppige Ankäufe. Farah Diba kaufte alles, was Rang und Namen hat: von Picasso, Claude Monet, Paul Gauguin, van Gogh und Edvard Munch bis zu Jackson Pollock, Mark Rothko, Alberto Giacometti und weiter zur Pop-Art mit Robert Rauschenberg, Roy Lichtenstein und Andy Warhol.

Diese etwa 3.000 Werke bilden eine vom künstlerischen Wert gar nicht hoch genug einzuschätzende Sammlung. Auf dem Markt dürfte sie zwischen fünf oder zehn Milliarden Dollar einbringen. Das Museum, gelegen im Laleh-Park, einer grünen Oase im smogverpesteten Teheran, ist selbst ein Bekenntnis zur Moderne: Entworfen von Kamran Diba, einem Cousin der Kaiserin, verbinden sich in ihm traditionell-iranische Elemente mit einer avantgardistischen Architektur, bei der Galerien sich um einen Zentralbau gruppieren, der von einer spiralförmigen Rampe erschlossen wird. Man fühlt sich an das Guggenheim in New York erinnert, nur dass in Teheran die Spirale in den Untergrund führt,

Nach der Eröffnung 1977 vergingen gerade einmal zwei Jahre, bis die Diktatorenfamilie Pahlevi aus Iran flüchten musste und die Islamische Revolution das weitere Schicksal des Landes bestimmte. Für die neuen Machthaber war die Sammlung ein Zeichen westlicher Dekadenz und moralischer Verkommenheit des Schahregimes. Entsprechend wurde das Museum umgewidmet: zu einem Denkmal für die Revolution, für die Märtyrer, das sogenannte Volk. Die Sammlung selbst aber nahm keinen Schaden. Sie wanderte ins Depot, bis das Museum nun schrittweise zu seiner ursprünglichen Bestimmung zurückgeführt wird.

Zwei Ausnahmen der Verbannung der Moderne in den Keller gewährten die Herrschenden: 2005 unter dem sogenannt liberalen Mohammed Chatami. Das zweite Mal 2010 unter dem Hardliner Ahmadinedschad. Die Kriterien, die bei der Auswahl galten, sind schwer nachzuvollziehen. So wurde 2010 ein Matisse mit einem nackten Frauenkörper im Bild gezeigt, aber nicht die Marilyn Monroe von Andy Warhol. Doch war jedenfalls jede der Präsentationen ein Ereignis: vielfach kommentiert, besprochen – und völlig überlaufen. Genau wie heute, wenn die Massen über die ausgestreckten Beine der zeichnenden Studenten steigen, Fotos mit ihren Smartphones aufnehmen und sich lebhaft austauschen.

„Alles ist gerade in Bewegung. Wir wollen sehen, wir wollen wissen, wir wollen diskutieren“

Verlegerin in Teheran

Das Publikum ist ausgehungert, es verlangt nach dieser Kunst. Und wenn man nach der Kleidung urteilen darf, dann beschränkt sich dieser Hunger nicht auf eine ohnehin westlich orientierte städtische Elite. Man sieht Frauen im Tschador genauso wie solche mit locker geschwungen Foulards. „Alles ist gerade in Bewegung“, sagt mir die Leiterin eines kleinen Verlags in Teheran, die sich über die Menge freut „und überall ist es voll. Wir wollen sehen, wir wollen wissen, wir wollen diskutieren.“

Bald müssen sie aber auf ihren Schatz schon wieder verzichten. Das TMoCA schickt seine Sammlung auf Reisen, nach Rom und nach Berlin. Und andere europäische Städte warten schon. Ob die Iraner ihre Werke dann, wenn sie von der Grand Tour zurückkommen, endlich dauerhaft und vollständig genießen können – das weiß allerdings derzeit noch niemand.

Aus dem Italienischen von Ambros Waibel

Ab Herbst 2016 werden 30 Bilder der Sammlung zusammen mit 30 Werken zeitgenössischer iranischer Künstler in Berlin zu sehen sein. Das Nationalmuseum für die Kunst des 21. Jahrhunderts in Rom übernimmt die Ausstellung ab Frühjahr 2017

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