Modellversuch Mobile Kinderbetreuung: Eine Nanny ist kein Luxus mehr
Senatsprojekt zur Betreuung von Kindern außerhalb der Kita-Zeiten zieht Zwischenbilanz: Vor allem Alleinerziehende nutzen das Angebot.
Wer keinen Nine-to-five-Job hat, aber dafür Kinder zu Hause, war bisher entweder auf den Partner oder die Oma angewiesen, hatte genug Geld für eine Nanny – oder musste bereit sein, das Kind nach Kita-Schluss noch bei einer Tagesmutter betreuen zu lassen. Dorina Wegner, alleinerziehende Mutter und Krankenschwester im Schichtdienst, hatte das alles nicht: „Oft habe ich im Monat rund 600 Euro nur für einen Babysitter ausgegeben – ich bin quasi arbeiten gegangen, um arbeiten gehen zu können“, sagte Wegner am Mittwoch bei einem Pressegespräch mit Jugendsenatorin Sandra Scheeres (SPD) zu einer Bilanz des Mobilen Kinderbetreuungsservice, kurz Mokis.
Wegner, alleinerziehend, im Schichtdienst arbeitend, ist so etwas wie der Prototyp derjenigen, die das neue Mokis-Angebot erreichen soll: Seit Januar gibt es die zentrale Vermittlungsstelle der Senatsjugendverwaltung, die Tagesmütter für nachts oder am Wochenende vermittelt – und zwar direkt in die eigenen vier Wände. Abgerechnet wird über das Kita-Gutscheinsystem. Für Wegner ist Mokis also kostenlos – ihr Sohn ist fünf, ab zwei Jahren ist die Kita in Berlin beitragsfrei.
Die Vermittlungszahlen sind noch relativ gering: Neun Betreuerinnen seien seit Januar vermittelt worden, hieß es am Mittwoch. Insgesamt habe man aber bereits 155 interessierte Eltern und 202 Betreuungspersonen in der Kartei, sagte Ella Pop vom Mokis-Team. Der Prozess laufe gerade erst an, weil viele BetreuerInnen noch den viertägigen Pflichtkurs absolvierten, oder weil viele Eltern zukünftige Bedarfe angemeldet hätten.
Gut die Hälfte der Anfragen kämen von Alleinerziehenden, als BetreuerInnen meldeten sich vor allem ältere Frauen kurz vor der Rente, darunter auch viele Erzieherinnen. „Da wünschen wir uns in Zukunft auch noch mehr junge Leute, etwa StudentInnen, die das als Nebenjob machen wollen“, sagte Pop. Gezahlt wird, wie inzwischen auch bei den Tagesmüttern, der Mindestlohn von 8,50 Euro.
Scheeres war sich am Mittwoch sicher, dass die Nachfrage für Mokis noch steigen werde, „wenn das Projekt noch bekannter ist“. 380.000 Euro kostet der Modellversuch den Landeshaushalt bisher. Scheeres will, dass sich auch die Industrie- und Handelskammer an den Kosten beteiligt. Immerhin sorge man dafür, „dass Eltern ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellen können. Das nennt man eine Win-win-Situation.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Desaströse Lage in der Ukraine
Kyjiws Wunschzettel bleibt im dritten Kriegswinter unerfüllt