Modelle im Online-Journalismus : Die Lesenden als Korrektiv
Beim Online-Medium „De Correspondent“ setzt man auf die enge Einbindung der Unterstützer*innen.
von ILIJA MATUSKO
Vor einigen Jahren haben sich ambitionierte Neugründungen aufgemacht, den Medienwandel und die Krise um die Finanzierung von Journalismus im Netz zu meistern. Crowfunding war das Modell der Stunde – also die Finanzierung über eine Community, so etwa hierzulande bei Correctiv oder Krautreporter. Ein sehr prominentes Projekt ist De Correspondent, ein Onlinemagazin aus den Niederlanden. Mit der Ansage, Hintergründe und tiefere Analysen abseits der Breaking News zu bieten, hatten die Verantwortlichen des Projekts in einer Kampagne um aktive Mitglieder gebeten.
Es klang zu schön, um wahr zu sein: Nach nur eine Woche hatten die GründerInnen um den Journalisten Rob Wijnberg, heutiger Chefredakteur, die anvisierten 15.000 Abonnent*innen für den Start überzeugt. Und das für Reportagen, die es zu dem Zeitpunkt noch gar nicht gab. Ein neuer Crowdfunding-Rekord und ein wichtiges Signal: Das Internet macht eben nicht nur „alles kostenlos“, sondern bietet auch Raum für journalistische Experimente.
Das Vertrauen zurückgewinnen
Das war 2013. Mittlerweile behauptet sich der Correspondent seit vier Jahren erfolgreich in der Medienlandschaft. Über 50.000 Abonnent*innen zahlen derzeit 60 Euro im Jahr für das Projekt. Ein Grund für den Erfolg ist nicht zuletzt die enge Einbindung des Publikums in das Medium.
Maaike Goslinga, Redakteurin beim Correspondent, sieht in diesem partizipatorischen Ansatz eine Möglichkeit, das durch die Medienkrise verlorene Vertrauen der Leser*innen zurückzuholen: „Wir holen die Leser*innen mit in unseren journalistischen Prozess hinein, indem wir sie wissen lassen, worüber wir gerade berichten und sie dabei um ihre Mithilfe bitten. Auf diese Weise versuchen wir, einen Gesellschaftsvertrag zwischen Leser*nnen und Journalist*innen aufzubauen“, so Goslinga. Das sogennate Membership-Modell des Correspondent steht damit für einen leser*innenzentrierten Journalismus.
Dieser wirft dabei jedoch eine drängende Frage auf: Was passiert mit den Themen, die die Leser*innen nicht wollen, die aber trotzdem wichtig sind? Womöglich wird über die Einbindung des Publikums am Ende nur das eigene Klientel bedient. Andererseits kann sich ein journalistischer Ethos und gesellschaftlicher Auftrag vielleicht gerade in Neuformationen besser entfalten als in den alten Konzern- und Verkaufsabhängigkeiten klassischer Medien. Inwieweit Modelle wie das vom Correspondent das Verhältnis von Journalismus und Gesellschaft neu schreiben, wird sich zeigen, ein anderes Rollenverständnis von Journalist*innen bedeutet es allemal.
Kürzlich kündigte Wijnberg an, im Frühling 2018 mit einer US-Version des Correspondent an den Start zu gehen. Vielleicht wollen sie sich den Crowdfunding-Weltrekord zurückholen, denn den hat das Schweizer Projekt Republik kürzlich geschlagen.